Ein Experiment mit verheerenden Folgen

Wissen / 25.04.2014 • 15:27 Uhr
Heute, 28 Jahre nach dem Nuklearunfall, ist die Zone um das Atomkraftwerk Tschernobyl noch immer kontaminiert. FOTOS: MK
Heute, 28 Jahre nach dem Nuklearunfall, ist die Zone um das Atomkraftwerk Tschernobyl noch immer kontaminiert. FOTOS: MK

Die schwere Nuklearkatastrophe in Tschernobyl jährt sich heute zum 28. Mal.

tschernobyl. Es ist Freitagabend am 25. April 1986. Im Block 4 des ukrainischen Kernkraftwerks Tschernobyl startet unter der Leitung des stellvertretenden Chefingenieurs Anatoli Stepanowitsch Djatlow ein Experiment, das einen vollständigen Stromausfall am Kernreaktor simulieren soll. Djatlow will den Nachweis erbringen, dass nach einer daraufhin notwendigen Reaktorabschaltung eine ausreichende Stromversorgung gewährleistet ist. Für diesen Versuch werden die Sicherungssysteme außer Betrieb gesetzt.

Um 1.23 Uhr des 26. April steigt während des Experiments die Leistung des Reaktors binnen Sekunden an. Die manuelle Notabschaltung funktioniert nicht. Entstehender Wasserstoff explodiert und zerstört den Reaktor. Der Grafitmantel der Brennelemente gerät in Brand.

Tags darauf beginnen sogenannte Liquidatoren mit der Zwangsevakuierung der Bewohner in der Zone um das Kernkraftwerk und der Stadt Prypjat und der Dekontamination der am stärksten betroffenen Gebiete. Erst am 29. April berichtet die sowjetische Regierung erstmals von einer „Katastrophe“, die zwei Todesopfer gefordert habe. Andere Berichte über Tausende Tote werden dementiert.

Am 30. April und 1. Mai ziehen radioaktiv verstrahlte Wolken über Deutschland, Österreich und die Schweiz. Nachdem ein Teil der Betriebsleitung des AKW wegen Versagens entlassen wurde, lässt der neue Direktor am 15. Juni die zwei unbeschädigten Reaktorblöcke wieder in Betrieb nehmen. Um den havarierten Reaktor wird ein Betonsarkophag gebaut und am 15. November fertiggestellt. Bei dem bisher schwersten Nuklearunfall in der Geschichte sind 28 Menschen im April 1986 gestorben, weitere 19 kamen aufgrund der Folgen zwischen 1987 und 2004 ums Leben. In den am ärgsten betroffenen Regionen kam es zu rund 7000 Schilddrüsenkarzinom-Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen mit 15 Todesfällen. Weiters sollen insgesamt bis zu 17.000 Menschen in der Ukraine und im angrenzenden Weißrussland an Leukämie erkrankt sein.

Zehn Jahre nach dem Unglück wurde mit dem Abschalten des letzten Reaktors das AKW stillgelegt.

Heute, 28 Jahre später, sind noch immer weite Teile der Zone um das AKW kontaminiert. Trotzdem strömen jährlich Tausende Touristen nach Tschernobyl.

Im Rahmen des „Shelter Implementation Plans“ wird seit 26. April 2012 über den provisorischen Sarkophag, der den havarierten Reaktorblock umschließt, ein neuer haltbarer errichtet. Die Bauarbeiten sollen – unabhängig von der Ukraine-Krise – bis 2015 abgeschlossen sein.

VN halfen Strahlenopfern

Von 1990 bis Mitte der 2000er Jahre hat die ehemalige VN-Redakteurin Marianne Mathis die Aktion „Vorarlberg hilft Strahlenopfern“ betrieben.

Mit dieser Aktion sammelte sie Spenden über die VN und besorgte damit überlebensnotwendige Arzneimittel für die leukämiekranken Kinder in Gomel – die am stärksten betroffene Stadt in Weißrussland. „Die sehr teuren Medikamente kaufte ich immer mit den Spendengeldern der VN-Leser und brachte sie selbst direkt in die Kinderleukämiestation des Krankenhauses Gomel“, erinnert sich Mathis, die dadurch zur Zeitzeugin vor Ort geworden ist.

Die Umgebung von Tschernobyl ist 5000 Jahre nicht bewohnbar.

Marianne Mathis
Viele Kinder leiden an den Folgen der Katastrophe.
Viele Kinder leiden an den Folgen der Katastrophe.