Grünes Licht fürs AKW

Wissen / 12.09.2014 • 16:53 Uhr

Trotz Fukushima-
Katastrophe kehrt
Japans Regierung zurück zur Kernenergie.

SCHWARZACH, TOKIO. Noch immer haben die japanische Regierung und der Betreiber des Atomkraftwerks von Fukushima den Nuklearunfall vom März 2011 nicht im Griff. (Die VN berichteten.) Noch immer fließen wegen der Risse in der Reaktorhülle riesige Mengen stark kontaminierten Kühlwassers ins Grundwasser. Die Wasserproben sind rund zehnmal höher verstrahlt als bisher bekanntgegeben. Noch immer leben etwa 125.000 Bewohner Fukushimas in provisorischen Behelfsunterkünften.

Im Umkreis von Fukushima, aber auch im 200 km südlich gelegenen Tokio verzweifeln Ärzte an ihrer Ohnmacht. Denn laut Bericht der Anti-Atom-Aktivistin und Russ-Preis-Trägerin Hildegard Breiner werden sie „in den Kliniken massiv unter Druck gesetzt, die diagnostizierten, und besonders bei Kindern und Jugendlichen signifikant zunehmenden Krebserkrankungen – vorwiegend Schilddrüsenkrebs – zu verharmlosen und die Patienten ohne Behandlung wieder wegzuschicken“.

Seit dem Super-GAU sind weiterhin täglich Arbeiterkolonnen auf dem noch immer verstrahlten Kraftwerksgelände unter Lebensgefahr im Einsatz, um Trümmer zu räumen und die beschädigten Reaktoren mit Wasser zu kühlen. Eine Gruppe Arbeiter aus der Atomruine zieht jetzt übrigens wegen Unterschlagung ihrer Gefahrenzulagen gegen die Verantwortlichen vor Gericht.

Noch stehen sämtliche 48 kommerzielle Reaktoren in Japan still. Doch nun hat die japanische Atomaufsicht – erstmals seit Beginn des Nuklearunfalls in Fukushima – in einem AKW zwei Reaktoren für sicher erklärt. Und so tritt ein, was die Regierung von Ministerpräsident Shinzo Abe bereits im April deutlich gemacht hat: Die seit einem Jahr atomfreie Wirtschaftsmacht Japan kehrt zur Kernenergie zurück. Offensichtlich hat die Regierung aus der Atomkatastrophe und deren Folgen nichts gelernt.

Widerstand der Bevölkerung

Es handelt sich um das AKW in Sendai, eine Stadt in der südwestlichen Provinz Kagoshima. Seinem Betreiber Kyushu Electric Power wurde von der Atomaufsichtsbehörde NRA bescheinigt, dass die beiden Meiler den neuen Sicherheitsvorschriften für ein Wiederanfahren genügen. Die Bestimmungen waren nach dem Fukushima-Super-GAU verschärft worden.

Vor Dezember werden die Sendai-Reaktoren aber wegen des langwierigen Prozesses nicht ins Netz gehen, weil zuerst die lokalen Behörden ihre Zustimmung geben müssen. Allerdings setzt sich die Regierung über den Widerstand in der Bevölkerung hinweg.

In Umfragen spricht sich eine Mehrheit der Bürger immer wieder gegen eine Rückkehr zur Atomkraft aus. Und vergangenen Mittwoch gingen in Sensai zahlreiche Bürger auf die Straße, um gegen die Aktivierung der Reaktoren zu demonstrieren.

Wirtschaftliche Gründe

Der Regierung ist’s egal. Sie drängt weiter auf das Wiederanfahren von Meilern – und das aus wirtschaftlichen Gründen. Denn die Betreiberkonzerne müssen zurzeit den Strombedarf als Ersatz für die Atomreaktoren mit Wärmekraftwerken abdecken.

Wegen des teuren Imports von Öl und Gas steht Japans Handelsbilanz seit fast zwei Jahren in den roten Zahlen. Die Reaktoren des Atomkraftwerks in Sendai haben zusammen eine Kapazität von 1,8 Gigawatt. Das entspricht etwa fünf Prozent der Stromleistung, den Japans Meiler vor der Atomkatastrophe in Fukushima erzeugten. Damals deckten Atommeiler etwa ein Drittel des Strombedarfs des Landes ab.

In Kliniken werden Ärzte massiv unter Druck gesetzt.

Hildegard Breiner