Klimawandel verändert die Schweizer Wälder

Wissen / 04.11.2016 • 12:37 Uhr
Forscher rechnen damit, dass in den tiefer gelegenen Bergwäldern mit der Verschiebung der Vegetationsgrenze anstelle von Nadelbäumen in Zukunft vermehrt Laubbäume wachsen werden. Foto: APA
Forscher rechnen damit, dass in den tiefer gelegenen Bergwäldern mit der Verschiebung der Vegetationsgrenze anstelle von Nadelbäumen in Zukunft vermehrt Laubbäume wachsen werden. Foto: APA

Forschungsprogramm „Wald und Klimawandel“ geht von erhöhter Waldbrandgefahr und mehr Schädlingen aus.

Bern. Die Klimaerwärmung wird die Schweizer Waldlandschaft grundlegend verändern: Die Vegetationsgrenze verschiebt sich, um 500 bis 700 Meter nach oben, Trockenheit und steigende Temperaturen erhöhen die Waldbrandgefahr und fördern den Schädlingsbefall. Das passiert so schnell, dass sich die Bäume ohne menschlichen Eingriff wohl kaum daran anpassen können.

Zu diesem Schluss kommt das Forschungsprogramm „Wald und Klimawandel“, das jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Gemäß dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) und der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) vermitteln die Resultate „einen für Mitteleuropa einmaligen Überblick über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Bäume und den Wald“.

Temperaturanstieg

Seit 1864 sind die Temperaturen in der Schweiz bereits um rund 1,8 Grad gestiegen. Auch wenn die im Klimaabkommen von Paris gesetzten Ziele erreicht werden, kommen noch weitere ein bis zwei Grad dazu. Gleichzeitig nehmen die Niederschläge im Sommer je nach Modell bis Ende des 21. Jahrhunderts zwischen fünf und 25 Prozent ab.

Diese Veränderungen werden den Bäumen stark zusetzen. So rechnen die Forscher damit, dass in den tiefer gelegenen Bergwäldern mit der Verschiebung der Vegetationsgrenze anstelle von Nadelbäumen in Zukunft vermehrt Laubbäume wachsen werden. Betroffen sei zum Beispiel die Fichte: Nicht nur werde sie anfälliger für den Befall durch Borkenkäfer, der Baum werde in tieferen Lagen auch seltener gedeihen. An ihrer Stelle würden dort Bäume wachsen, die besser mit Trockenheit umgehen können, wie zum Beispiel die Traubeneiche.

Angesichts der Geschwindigkeit des Klimawandels sei es fraglich, ob die Wälder es schafften, sich ohne menschliche Eingriffe an die neuen Bedingungen anzupassen. In begrenztem Ausmaß seien sie dazu womöglich in der Lage. Doch es bestehe die Gefahr, dass die Wälder ihre Schutzwirkung bei Naturgefahren, die Produktion von Holz als Rohstoff und Energieträger sowie ihr Angebot als Erholungsraum für Menschen in den kommenden Jahrzehnten nicht mehr wie gewohnt garantieren könnten. Außerdem könnten „Störungsereignisse“ wie zum Beispiel Waldbrände zunehmen und die Leistungen des Waldes weiter beeinträchtigen. Um diese Konsequenzen des Klimawandels zu mindern, haben die Forscherinnen und Forscher Strategien für die Bewirtschaftung des Waldes entwickelt. Insbesondere die Vielfalt der Baumarten soll gefördert werden.

Unterschiedliche Bedingungen

Weil die Bedingungen für die Wälder in der Schweiz sehr unterschiedlich sind und die Eigenheiten eines Standorts wie die Tiefe des Waldbodens, die Wasserversorgung oder die Ausrichtung zur Sonne auf kleiner Fläche wechseln, haben die Forscher außerdem hoch aufgelöste Karten erstellt. Sie sollen den Förstern bei der Planung und Pflege ihrer Wälder helfen, damit sich diese an die neuen Klimabedingungen anpassen können.

Weitere Forschungsprojekte untersuchten die Veränderungen des Waldes unter verschiedenen Klimaszenarien. Daraus werden zur Zeit Empfehlungen für die Bewirtschaftung der Wälder und für die Wahl zukunftsfähiger Baumarten erarbeitet. In sogenannten Waldtests werden diese Empfehlungen dann zusammen mit Fachstellen, Förstern und Umweltverbänden getestet.

Das Forschungsprogramm „Wald und Klimawandel“ wurde 2009 vom BAFU und dem WSL lanciert und wird 2017 abgeschlossen sein. Das Ziel war es, Grundlagenwissen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald und dessen Leistungen zu erarbeiten, und Strategien zur Anpassung an die Veränderungen und Entscheidungshilfen für die Praxis zu entwickeln.

An den 42 Projekten waren neben dem Experten des BAFU und des WSL auch die Universität Basel, die ETH Zürich, das Paul-Scherrer-Institut, das Institut für angewandte Pflanzenbiologie in Schönenbuch, die Firma Meteotest und mehrere Ingenieurbüros beteiligt.