Das Lebenselement

Wissen / 17.04.2020 • 09:42 Uhr
Heute werden jedes Jahr 150 Millionen Tonnen Ammoniak hergestellt.AP
Heute werden jedes Jahr 150 Millionen Tonnen Ammoniak hergestellt.AP

Erst seit 100 Jahren ausreichend verfügbar: Stickstoffdünger.

Schwarzach 800 Millionen Menschen hungern auf der Welt, aber ohne eine grundlegende Erfindung vom Beginn des letzten Jahrhunderts wären es deutlich mehr – oder es würden viel weniger Menschen auf der Welt leben. Es ist vor allem ein Element, dem wir das Leben verdanken, das ist der Stickstoff. Denn Stickstoff ist essentiell für Aminosäuren – ohne Aminosäuren keine Proteine, ohne Proteine kein pflanzliches und tierisches Gewebe. Diese Zusammenhänge erkannte der deutsche Chemiker Justus v. Liebig um 1840. Wie bekommt man nun den Stickstoff in den Boden, wenn darin zu wenig vorhanden ist? Da gibt es eine massive Diskrepanz: Drei Viertel der Atmosphäre bestehen aus diesem Gas – aber im Boden nützt der Stickstoff nur in gebundener Form. Gewisse Bakterien im Boden können den Luftstickstoff „fixieren“, das heißt in eine für die Wurzeln verfügbare Form umwandeln. Geht natürlich nur, wenn Luft in den Boden eindringen kann. Eine lockere Krume ist wichtig. Aber auch im lockersten Boden kommen diese Bakterien nicht überall vor. Die Pflanzen sind dann im Prinzip – auf verrottende Biomasse angewiesen, da werden Stickstoffverbindungen wieder frei – und auf Gewitter! Blitze zwingen durch ihre hohe Temperatur den Stickstoff, mit Sauerstoff zu reagieren, dabei entsteht Salpetersäure, die der Regen in den Boden wäscht. Dazu kommen noch die Ausscheidungen der Tiere. Klingt nicht nach Überfülle, tatsächlich war der Stickstoffengpass für die Landwirtschaft bis in die Neuzeit ein ständiges Problem, drastischer formuliert: Hunger.

Stickstoffmonoxid

1903 fixierte der Norweger Kristian Birkeland den Stickstoff, indem er Luft durch einen elektrischen Lichtbogen leitete. Dabei entsteht Stickstoffmonoxid, das weiter verarbeitet wird. Man braucht dazu Unmassen elektrische Energie, die sogar im wasserreichen Norwegen nicht aufzubringen war. Der Durchbruch kam mit der Ammoniaksynthese. Aus dem stechend riechenden Gas macht man nämlich Salpetersäure und daraus dann Kunstdünger. Heute werden jedes Jahr 150 Millionen Tonnen Ammoniak hergestellt, immerhin 1.4% des Weltenergiebedarfs verschlingt diese Reaktion! Etwa die Hälfte der sechs Milliarden Menschen, die heute auf der Welt leben, könnten ohne Kunstdünger, das heißt, ohne eine praktikable Ammoniaksynthese, gar nicht leben – dass achthundert Millionen hungern, hat Verteilungsgründe, liegt nicht am Düngermangel. Erst vor hundert Jahren wurde die Herstellung von Ammoniak vom Chemiker Fritz Haber patentiert. Haber fand die richtigen Katalysatoren und Reaktionsbedingungen, um den Ammoniak direkt aus den Elementen Wasserstoff und Stickstoff herzustellen, der Industriechemiker Carl Bosch hat das Verfahren dann zum großtechnischen Maßstab weiter entwickelt – ohne dieses „Haber-Bosch-Verfahren“ hätte es keine Bevölkerungszunahme gegeben.