Kunstform des Schreibens im Fokus

Wissen / 15.08.2025 • 13:01 Uhr
Roland Stieger
44 Kalligrafinnen und Kalligrafen zeigen in Rorschach eine Auswahl ihrer Werke. Roland Stieger

Jubiläumsausstellung der Schweizerischen Kalligrafischen Gesellschaft in Rorschach.

Rorschach Ab dem kommenden Montag, 18. August kann die neue Gastausstellung zum Thema «Kalligrafie» im Forum Würth Rorschach besichtigt werden. Die Ausstellung bietet allen Personen, die sich für Schrift als Kunstform interessieren oder dies überhaupt erstmalig in dieser Fülle erleben möchten, spannende Einblicke. Die 44 Ausstellenden zeigen ein großes Spektrum ihres Könnens, welches selten in dieser Art zusammenkommt. Die Schweizerische Kalligrafische Gesellschaft (SKG) feiert mit dieser Ausstellung ihr 35-Jahr-Jubiläum. 35 Jahre sind eine kurze Zeit, wenn man den ganzen Zeitraum der Schriftgeschichte betrachtet. Während mehr als 2000 Jahren war die Schrift das Ausdrucksmittel der Sprache schlechthin und der Kern der Übermittlung des Wissens, der Traditionen, der Geschichte(n) der Menschheit. Seit dem Gründungsjahr des Vereins im Jahr 1990 hat sich das grundlegend verändert. Natürlich werden heute enorme Mengen an Text produziert und auch viel Überflüssiges ausgedruckt. Aber geschrieben, so richtig mit dem Füllhalter und in einer persönlichen Schrift wird nur noch wenig. Meist reicht es nur für kurze Notizen.


Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb ist ein wachsendes Interesse an der Kalligrafie festzustellen. Zumindest erkennt man dies an den Auslagen der Papeterien oder bei Online-Shops. Auch Bücher mit Schreibvorlagen und Gestaltungsideen gibt es zuhauf: Hochzeitseinladungen, Rezepte, Tischkarten, Geburtstags- und Festtagswünsche uns so weiter sind im Trend. Meistens findet man diese bunten Bücher unter dem Titel «Lettering» in der Buchhandlung und daneben auch das dazu passende Schreibmaterial mit allerhand Stiften, Tinten, Stempeln und Siegellack. Wohin ordnet man aber die Kalligrafie ein? Ist es Kunst, Kunsthandwerk, Nostalgie, Meditation oder Kopierkunst? Kalligrafie ist jedenfalls keine Grafologie, keine östliche Meditationspraxis, gehört nicht ins Mittelalter, ist nicht reines Handwerk und muss nicht immer schön sein. Kalligrafie hat mit harmonischer Gestaltung von Schriftzeichen zu tun und gestaltet Textinhalte so, dass diese zusammen mit dem visuellen Eindruck einen Mehrwert erhalten. Ein Text ist Sprache ohne Ton. Kalligrafie kann und will den Text nicht in Töne übertragen. Die Art des kalligrafischen Schreibens eines Textes bildet zusätzlich zum Text eine Bildebene, welche zwar den Inhalt des Textes unverändert lässt, aber gleichzeitig verstärkt. Das ist genau dasselbe, wie wenn ein ausgebildeter Schauspieler ein Gedicht nicht einfach liest, sondern vorträgt. Hier spielen Lautstärke, Betonungen, Pausen, Sprachfärbung usw. die tragende Rolle. Dasselbe geschieht in der Kalligrafie. Der Schreiber muss sich die passende Schriftart, die Textgröße, die Farben, die Buchstaben- und Zeilenabstände und vor allem auch die Schrifttextur, das Gewebe der Zeichen, genau überlegen.