“Literarisches Wunder”

Der Nobelpreis für Literatur geht in diesem Jahr an den Ungarn László Krasznahorkai.
Stockholm Der Literaturnobelpreisträger 2025, der ungarische Schriftsteller László Krasznahorkai (71), hat einige Bezüge zu Österreich. 2021 wurde er in Salzburg mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur ausgezeichnet. 2024 ist der Vorlass von der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen worden. Immer wieder ist er in Wien, zuletzt vor wenigen Tagen für eine Veranstaltung im Literaturmuseum. Krasznahorkai wurde am 5. Jänner 1954 in Gyula (Ungarn) als Sohn eines Anwalts geboren, studierte zunächst Rechtswissenschaft in Szeged, später Hungaristik und Philosophie in Budapest. Mit seinem Debütroman “Satanstango” gelang ihm 1985 der literarische Durchbruch. Apokalyptische Themen mit tragisch-komischer Ironie durchziehen sein Werk, so auch im 1988 erschienenen Erzählband “Gnadenverhältnisse” und im Roman “Krieg und Krieg” von 1999. Susan Sontag bezeichnete den Autor, der 2015 mit dem Man Booker International Prize ausgezeichnet wurde, daher als “Meister der Apokalypse”. Krasznahorkais Bücher wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Zu seinen auf Deutsch übersetzten Werken zählen auch “Melancholie des Widerstands”, “Der Gefangene von Urga” sowie “Im Norden ein Berg, im Süden ein See, im Westen Wege, im Osten ein Fluss”, “Baron Wenckheims Rückkehr” oder der aus einem einzigen langen Satz bestehende Roman “Herscht 07769”. Für sein Werk nennt er Einflüsse österreichischer Literatur, neben Robert Musil und Franz Kafka vor allem Thomas Bernhard, Ingeborg Bachmann und Heimito von Doderer. Sein 2023 erschienener Erzählband “Im Wahn der Anderen” handelt von einem besessenen New Yorker Bibliothekar.
“Krasznahorkai ist ein wahrhaft europäischer und ein philosophischer Autor: Gewaltige Visionen einer anderen Welt durchziehen seine Bücher, Heilsversprechen bauen sich auf und stürzen in sich zusammen. In den Ritzen der Melancholie aber nistet der Humor. Ganz so, als würde es sich dabei um den eigentlichen Agenten eines freieren Lebens handeln”, hatte die Jury 2021 die Zuerkennung des Österreichischen Staatspreises begründet. “Jedes seiner Bücher ist ein literarisches Wunder”, sagte die damalige Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer bei der Ehrung in Salzburg.
Laudator Klaus Kastberger merkte damals an, die langen, komplex verflochtenen Sätze Krasznahorkais hätten im deutschsprachigen Raum trotz hervorragender Übersetzungen dazu beigetragen, dass dieser hierzulande “noch fast ein Geheimtipp” sei, während er im englischsprachigen Raum “fast Kultstatus” genieße. Krasznahorkai beziehe sich immer auf den Verlust des Humanismus in der Gesellschaft. “Das aktuell noch kaum Denkbare bekommt bei ihm fiktionalen Raum”, die Verhältnisse in Ungarn bildeten die Grundierung seiner Bücher. Da passe es ins Bild, dass ein mit dem neuen Schuljahr in Ungarn in Kraft tretender Lehrplan Bücher von ihm und seinen Kollegen Kertesz, Nadas und Esterhazy von der Leseliste gestrichen habe.
Den Literaturnobelpreis erhält László Krasznahorka “für sein fesselndes und visionäres Werk, das inmitten apokalyptischer Schrecken die Macht der Kunst bekräftigt.” Er sei ein “großer epischer Schriftsteller in der mitteleuropäischen Tradition von Kafka bis Thomas Bernhard und zeichnet sich durch Absurdität und groteske Exzesse aus.” Doch er habe noch mehr zu bieten: “Er orientiert sich auch östlich, indem er einen kontemplativeren, fein abgestimmten Ton anschlägt.”