„Ich reise, um zu lernen“

Für Abenteurer Bruno Baumann ist Reisen sein Weg, die Welt zu erkennen.
Ein Abenteurer zu sein, ist wohl der Traum jedes Jungen. Wann haben Sie beschlossen, diesen Traum zu verwirklichen?
Bruno Baumann: Ich ging noch ins Gymnasium, als ich bereits davon träumte, ein Leben zu führen, das nicht in Arbeit und Freizeit aufgeteilt ist, sondern in dem Beruf und Berufung möglichst deckungsgleich sind. Das Reisen war für mich von Anfang an nicht bloß Zeitvertreib, sondern Lebensentwurf – eben mein persönlicher Weg, die Welt zu erkennen. Diese Freiheit, nach meinem Bedürfnis „artgerecht“ zu leben, musste ich mir erst erarbeiten. Es genügte nicht einfach, eine Expedition zu unternehmen, ein Abenteuer zu bestehen, sondern ich musste lernen, meine Erlebnisse und Erfahrungen anderen zu vermitteln – in Form von Vorträgen, Büchern, Filmen.
Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes großes Reiseabenteuer?
Baumann: Ja, da war ich gerade siebzehn Jahre alt und hatte mir einen Interrail-Pass gekauft, um dann mit Rucksack quer durch Europa zu reisen. Es war ein prickelndes Gefühl, im kleinen Bahnhof meines steirischen Heimatorts in den Zug zu steigen und vor den Augen des Schaffners als Ziel Marrakesch einzutragen, der am weitesten entfernte Bahnhof meines Eisenbahn-Passes.
Welches Projekt möchten sie unbedingt noch realisieren?
Baumann: Eine Durchquerung der Changthang, der Nordsteppen Tibets, eine der letzten großen Wildnisse Zentralasiens. Das sind auf der kürzesten Distanz mehr als 1000 Kilometer Fußmarsch in einer durchschnittlichen Höhenlage von 5000 Metern.
Wie lange dauert die Vorbereitung für eine Expedition?
Baumann: Die geistige Vorbereitung, die Recherchen, das Aneignen des Know-hows, die Planung können Jahre dauern. Die logistische und physische Vorbereitung sind eine Sache von ein paar Wochen.
Eine Forschungsreise ist auch stets mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Gab es auf Ihren Reisen den einen oder anderen bedrohlichen Moment, in dem Sie tiefe Angst verspürten?
Baumann: Es gab eine ganze Reihe brenzliger Situationen, vor allem in meiner „Sturm und Drang“-Zeit, als ich mir große Ziele steckte, aber noch wenig Erfahrung hatte. Im Urwald Neuguineas stürzte ich in einen reißenden Fluss, am Mount McKinley in Alaska trug ich Erfrierungen davon, bei meinem ersten Versuch, die Wüste Gobi im Alleingang zu durchqueren, bin ich fast verdurstet. Die größten Gefahren aber gingen nicht von der Natur aus, sondern vom Menschen. Im Tibesti-Gebirge im Norden des Tschad stand ich bis an die Zähne bewaffneten Männern des Tubu-Volkes gegenüber, die sich mein Fahrzeug samt Ausrüstung „ausleihen“ wollten und ihren Wünschen mit Kalaschnikows Nachdruck verliehen. Ich startete durch, flüchtete Hals über Kopf und wurde beschossen. Zum Glück wurde nur der Kotflügel getroffen.
Wie schwer ist es, nach einem monatelangen Reiseabenteuer wieder in den Alltag daheim zurückzufinden?
Baumann: Ich bin kein Aussteiger, der immer wieder von daheim flüchten muss, um das Leben hier zu ertragen. Das Gegenteil ist der Fall. Ich nehme meine Erfahrungen hierher mit, um sie in mein Leben zu integrieren. Sie bereichern mein Leben immens, denn ich habe dadurch weniger Ängste als vorher, lebe selbstverantwortlicher und geistesgegenwärtiger. Freiheit bedeutet für mich vor allem frei sein von Ängsten.
Welcher Kontinent oder welche Region auf unserem Erdball fasziniert Sie am meisten?
Baumann: Eindeutig Asien. Ich reise, um zu lernen, und diesbezüglich hat Asien am meisten zu bieten. Dort gibt es andere kulturelle und spirituelle Traditionen als in der europäischen Kultur, in der ich wurzle. In Lateinamerika hingegen finde ich vielerorts nur eine aufgepfropfte europäische Kultur, die die autochthonen Traditionen ausgelöscht hat. Das interessiert mich weniger.
Im Jahr 2010 haben Sie das Projekt „Roads of Dialogue – Silkroad Experiences“ gestartet. Was hat es damit auf sich?
Baumann: Dahinter steckt eine moderne Karawane, eine Art Kulturkarawane, bestehend aus Künstlern, Sportlern, Querdenkern, die in ausgewählten Orten entlang der Seidenstraße gastiert, um dort ein dialog-orientiertes Programm aufzuführen – mit Konzerten, Workshops, Diskussionen. Es geht also nicht um eine nostalgische Reise auf den Spuren Marco Polos, sondern um die Vision einer neuen Seidenstraße als Austausch-achse zwischen Ost und West. Daher befinden sich im Portfolio dieser Kulturkarawane auch hochaktuelle Themen wie Wasser, erneuerbare Energie und zukunftsweisende Mobilität.
Zur Person
Bruno Baumann
Geboren am: 10. Jänner 1955
Wohnort: München
Familienstand: ledig
Lebensmotto: „Vom Wissen zur Weisheit kommen.“
Mit seinem Vortrag „Die Seidenstraße – Mythos und Gegenwart“ gastiert Bruno Baumann am 22. April in der Kulturbühne Ambach in Götzis. Vorverkauf: Tel. 05522/41000, www.musikladen.at