Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar: Grenzenlos mobil

HEUTE • 18:18 Uhr

Am 14. Dezember bricht in Österreich ein neues Zeitalter an, wenn der gestern präsentierte ÖBB-Fahrplan tatsächlich in Kraft tritt. Insbesondere im Süden entsteht ein neuer Lebens- und Wirtschaftsraum, eine Metropolregion mit 1,8 Millionen Menschen, 150.000 Unternehmen und 770.000 Beschäftigten. Die neuen Direktverbindungen zwischen Graz und Klagenfurt durch den Koralmtunnel verkürzen die Fahrzeit zwischen diesen Landeshauptstädten auf 41 Minuten. Da ist die Murinsel oder umgekehrt der Wörthersee quasi ums Eck. Das Auto hingegen im Wettbewerb mit der Schiene chancenlos.

Die besseren Zeiten brechen allerdings mit alten Problemen an. Einerseits wird das Wagenmaterial nicht so rasch den Komforterwartungen der Kunden angepasst werden können. Es gilt also noch mit älteren Garnituren vorlieb zu nehmen, bis die neuen Züge geliefert werden. Da ab März kommenden Jahres auch die private Westbahn in den Süden fahren will, wird der frühere Schienenmonopolist ÖBB wohl den Zeitplan möglichst straffen. Die neue Konkurrenz freut die Kunden daher in jedem Fall.

Andererseits ist es der Politik nicht gelungen, das Ticketangebot an die neue Mobilitätsära anzupassen. In 30 Jahren Vorlaufzeit für Planung, Genehmigungen und Bau sowie Investitionen von 9,5 Milliarden Euro fand sich keine Lösung, die Strecke mit regionalen Jahreskarten zu befahren. Die Gültigkeit der jeweiligen Klimatickets endet am letzten Bahnhof vor dem Tunnel. Was zu der paradoxen Situation führt, dass selbst Besitzer von zwei Jahreskarten bei einer Direktverbindung trotzdem für die gesamte Strecke ein Ticket lösen müssen. Ein Problem, dass übrigens nicht unbekannt ist. Der Arlbergtunnel wurde immerhin bereits 1884 eröffnet.

Warum regionale Tickets vor und nicht nach der Grenze enden und somit keine Kombination möglich ist, lässt sich kaum erklären. Noch schwerer verständlich ist aber die Abwälzung der Verantwortung dafür und die kreativen Kostenrechnungen. Die Steiermark rechnet mit 15 Millionen Euro, Kärnten nach Schätzungen (!) mit deutlich geringeren zusätzlichen Kosten für ein „Klimaticket Süd“. Fragt sich der Laie, wofür eigentlich? Immerhin sind die Bahnfahrer ja bereit, für zwei Dauerkarten in zwei Bundesländern zu bezahlen.

Doch wirklich zuständig fühlt sich keiner. ÖBB-Chef Andreas Matthä wartet auf eine Einladung zu Gesprächen. Die Landespolitiker meinen, für Fernverkehr wäre der Bund zuständig. Der ausschlaggebende Minister Peter Hanke reicht den Ball an die Verkehrsverbünde weiter. Diese stehen als Körperschaften öffentlichen Rechts im Eigentum der Bundesländer.

Doch diese Details interessieren die Wählerinnen und Wähler im Grunde wenig. Sie wollen nur nicht von der Politik in einem Tunnel zu Schwarzfahrern gemacht werden. Wer an derartigen Details scheitert, muss sich über das mangelnde Vertrauen in Politik nicht wundern.

FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.