Adieu, Monsieur!
Wenn ich in Ravensburg zu tun hatte, aß ich stets im Restaurant „Rebleutehaus“, das zum Hotel „Waldhorn“ um die Ecke am Marienplatz gehört. Der Hauptgrund dafür war eine Speisekarte, die niemals Überdruss am immer Gleichen aufkommen ließ. Bei einem Besuch im November 2012 beispielsweise hatte ich als Vorspeise Gockelleber mit Lorbeerapfel und hausgemachtem Pflaumenketchup (14,60), als Hauptgang Krautkrapfen mit Jungschweinebäckchen und Honigzwiebeln (16,80) und als Dessert Panna cotta mit Himbeersorbet (7,50). Felsenaustern und Sushi (immer nur zwei Stück, aber erstklassig) standen hier ebenso oft auf der Tageskarte wie Gefüllte Kalbsbrust oder Pot-au-feu vom Huhn. Und auch in diesem seinem Zweitlokal merkte man immer, dass man bei „Waldhorn“-Patron Albert „Monsieur“ Bouley zu Gast war, vor der Ära der Fernsehköche einer der bekanntesten deutschen Küchenchefs. Da Bouley lieber in seiner Küche stand als vor der TV-Kamera, war er zuletzt vielleicht nicht mehr ganz so populär wie manche weitaus uninteressanteren Köche.
Am vergangenen Samstag war der kleine Schanigarten vor dem Hotel „Waldhorn“ bis auf den letzten Platz besetzt und an der Tür zum „Rebleutehaus“ hing ein „Geschlossene Gesellschaft“-Schild. Deshalb saß ich mal wieder in der bieder anmutenden „Altdeutschen Stube“, in der die euro-asiatische Fusionsküche, die Bouley zusammen mit André Jaeger von der „Fischerzunft“ in Schaffhausen im deutschen Sprachraum als Erste kreiert hatten, zwei Jahrzehnte lang mit einem Michelinstern bewertet worden war. Diesmal war die Karte verhältnismäßig klein, relativ unoriginell und ohne wahre Höhepunkte. Ich nahm ein Thunfischparfait mit Peperonata (14,80) und eine Dorade mit Olivenkartoffeln (22,80), dazu ein Viertel Grauburgunder (6 Euro). Die Speisen waren ordentlich zubereitet, schmeckten aber nicht nach Bouleys Kochkunst. Ich fragte den Kellner zuletzt, warum sie die Karte verkleinert hätten, und er sagte, weil der Chef gestorben sei und sie jetzt erst einmal checken müssten, was die Küche ohne ihn leisten könne.
Mittlerweile habe ich es gegoogelt: Albert Bouley ist 63-jährig am 23. April gestorben. Er hatte im vorigen Herbst hinsichtlich seiner Nachfolge eine Münchner Unternehmensberatung beigezogen und schon vorher immer mehr Verantwortung an seinen Sous-chef Achim Schoch abgegeben, aber „Monsieurs“ Toque dürfte jedem Nachfolger zu groß sein.
Rebleutehaus, Schulgasse 15, D-88212 Ravensburg, Tel. ++49/751/15300.
Öffnungszeiten: Mo bis Sa 12 bis 14 und ab 18 Uhr.