Eine Villa erzählt ihre Geschichte

In der einstigen Villa Heimann-Rosenthal befindet sich heute
das Jüdische Museum.
Hohenems. (bet) Die Villa Heimann-Rosenthal empfängt die Besucher mit der angenehmen Atmosphäre eines bürgerlichen Wohnhauses aus dem 19. Jahrhundert. Der Textilfabrikant Anton Rosenthal ließ die spätklassizistische Villa 1864 nach den Plänen des bekannten Schweizer Architekten Felix Wilhelm Kubly (1802-1872) bauen. Geprägt von kunstvollen Schmiedeeisenarbeiten, Fassadenmalereien und floralem Stuckdekor ist das Gebäude nach Clara Heimann-Rosenthal, der Tochter von Anton und Charlotte Rosenthal, benannt, die 1891 den belgischen Kaufmann Josef Heyman (Heimann) heiratete, nach Antwerpen zog und nach dessen Tod 1901 nach Hohenems zurückkehrte.
1936 verkaufte Clara Heimann-Rosenthal ihr Geburtshaus an den Gemeindearzt Dr. Oskar Burtscher. Clara blieb in gutem Einvernehmen mit Dr. Burtscher und seiner Schwester Katharina bis 1940 im Haus wohnen. Im Juli 1940 wurde sie zusammen mit den letzten jüdischen Bewohnern von Hohenems nach Wien zwangsumgesiedelt und 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt von den Nationalsozialisten zu Tode gebracht.
Verkauf an die Stadt
Die Burtschers bewahrten das Hab und Gut Claras im Dachboden der Villa und übergaben es nach Kriegsende ihrem Sohn Jean, der in Belgien, versteckt von seiner christlichen Gattin Laure, die Verfolgung durch die Nationalsozialisten überlebt hatte. Die Erben Dr. Burtschers und seiner Schwester verkauften 1983 das Haus an die Stadt Hohenems.
Nach einer eingehenden Stilanalyse ist die Annahme, es handle sich um einen typischen Kubly-Bau, nicht von der Hand zu weisen, zumal in den Jahren 1863–1867 die Synagoge nach Plänen des- selben Architekten umgebaut wurde.
Felix Wilhelm Kubly, geboren im grenznahen Altstätten, gilt als einer der ersten akademisch geschulten Architekten in der Schweiz. Er war in München und ließ sich vom Münchner Klassizismus a la Leo von Klenze und Friedrich Gilly inspirieren. In Paris an der Ecole des Beaux Arts setzte er sich u. a. mit der klassizistisch-monumentalen Revolutionsarchitektur Etienne-Louis Boullées und Claude-Nicolas Ledoux‘ auseinander.
Klassizistische Formensprache
Typisch sind die strenge, klassizistische Formensprache, die auf Einfachheit und Symmetrie größten Wert legt, und die mit einem Dreiecksgiebel bestückten Mittelrisalite. Die Fenster sind in fünf oder sieben Achsen auf der Schauseite und drei Achsen in die Tiefe angelegt. Häufig fasst der Mittelrisalit jeweils drei Fenster zusammen, wobei im Piano Nobile die mittlere Öffnung eine Tür aufweist, die auf einen Balkon führt, der die Begrenzung nach oben für den Portikus darstellt.
Im Erdgeschoß findet sich in der Mittelachse ebenfalls ein Dreibogenmotiv mit Mittelportal. Typisch ist die Rustikalquaderung im Erdgeschoß, bei der Heimann-Rosenthal-Villa durch Grisaillemalerei respektive einer malerischen Quaderung ersetzt. Der toskanischen Quattrocento-Architektur entliehen sind die Farbänderungen, wobei grau-rötlich bei Kubly die häufigste Verwendung findet.
Das Museum
Zwar hatte die Stadtgemeinde Hohenems im Jahr 1983 die Villa Heimann-Rosenthal, das heutige Museumsgebäude, angekauft, es blieb aber zunächst ungenützt. 1987 wurde unter der Verantwortung des Architekten Roland Gnaiger mit dem feinfühligen Umbau und der Restaurierung begonnen. Kulturpolitisch engagierte Bürger gründeten 1986 den „Verein Jüdisches Museum Hohenems“, um eine solche Institution einrichten zu können und damit die Möglichkeit zu bieten, jüdische Geschichte, jüdisches Leben und jüdische Kultur kennenzulernen.
Die wissenschaftliche Leitung hatte Karl Heinz Burmeister, der sich bei der Erforschung der jüdischen Regionalgeschichte größte Verdienste erworben hat. 1989 wurde Kurt Greussing beauftragt, für die restaurierte Villa ein Museumskonzept zu erarbeiten, das die Geschichte der Juden in Vorarlberg unter der Perspektive des Verhältnisses zwischen Minderheit und Mehrheit veranschaulicht.
Doch war vorerst noch daran gedacht, im ehemaligen Salon im Obergeschoß das Trauungszimmer des Standesamtes und im Keller ein Alpmuseum zu etablieren. Das Jüdische Museum hätte auf diese Weise aus zwei Gedenkräumen bestanden, einem für den Kantor und Komponisten Salomon Sulzer und einem für die Fabrikantenfamilie Rosenthal. Rasch stellte sich aber heraus, dass die präsentierenden Themen die gesamten Räumlichkeiten benötigten. 2005-2007 gab es weitere Umbauten für den Ausstellungsbetrieb sowie ein Museums-Café.
Intensive Kontakte
Seit der Eröffnung des Museums im April 1991 besteht ein enger Kontakt mit den Nachkommen der Hohenemser Juden in aller Welt, und durch vielfache Schenkungen ist eine große Sammlung von Alltagsgegenständen und persönlichen Dokumenten entstanden, die nun erstmals gezeigt werden. So ist die Villa Heimann-Rosenthal heute ein Ort, an dem wir uns der Vielfalt der Geschichten und Objekte annähern können und uns selbst bewusst als „Betrachter“ erfahren – ein Ort der Begegnung mit vergangener, aber immer noch herausfordernd aktueller Erfahrung.
Unter dem jetzigen Museumsdirektor Hanno Loewy vertieften Sonderausstellungen diesen Ansatz: zum Beispiel über die moderne Migrationsgeschichte in Hohenems und Umgebung oder jüdische Kindheiten in Österreich, Deutschland und der Schweiz nach 1945.
