“Gerade nutzt jemand die Genealogie-Datenbank”

Extra / 18.05.2014 • 20:15 Uhr
Seit einigen Jahren ist das Jüdische Museum auch eine Sommeruniverstität.  Foto: JMH/Mathis  
Seit einigen Jahren ist das Jüdische Museum auch eine Sommeruniverstität. Foto: JMH/Mathis  

Ins Jüdische Museum kommen Besucher aus Bürs, Luxemburg oder New York, genutzt wird es weltweit.

Hohenems. (VN-cd) Am Vormittag sind Schüler aus Lingenau, Wolfurt und Luzern da, am Nachmittag kommen Studierende aus dem Appenzell, den Abend hat ein Dornbirner Unternehmen gebucht, das seinen Mitarbeitern im Rahmen eines Ausflugs etwas Nachhaltiges anbieten will, für den nächsten Tag hat sich eine multikulturell zusammengesetzte Gruppe aus Vorarlberg angesagt, die eine Gebetsraumwanderung unternimmt und dabei in der ehemaligen Synagoge Station machen möchte. Dass gerade, das heißt, während er in den Kalender blickt, jemand aus Kanada die Genealogie-Datenbank nutzt, erwähnt Direktor Hanno Loewy nur nebenbei. Herkunftsabfragen und Erkundungen nach einem Namen, einem Vorfahren, der in Hohenems gelebt haben könnte, gab es zuletzt bis zu 800 Mal am Tag. Das Jüdische Museum hat sein enormes Informations- und Bildungsangebot noch einmal ausgeweitet, inklusive Erneuerung des Auftritts im Internet.

Dort landet man sehr rasch bei systematisch biographischen Forschungen, die in Hohenems und am Institut für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck betrieben werden und kann das Anwachsen der Datenbank mitverfolgen. „Durch Zufall klickt keiner auf diese Seite“, weiß Hanno Loewy.

Steigendes Interesse

Hohenems hatte vom 17. bis ins 20. Jahrhundert, bis zur Vertreibung und Ermordung der letzten Mitglieder in den 1940er-Jahren, eine Jüdische Gemeinde. Für die letzten Jahre interessieren sich gerade wieder sehr viele, vor allem junge Menschen. Hanno Loewy ist immer wieder einmal selbst dabei, wenn Interessierte an den Hohen­emser Bahnhof oder an die nicht weit entfernte Schweizer Grenze geführt werden, wo sie erfahren, dass sich die Dramen von Menschen, die sich in die Schweiz retten wollten, weil ihnen in Österreich als Juden die Ermordung drohte, nicht irgendwo, sondern hier vor Ort abspielten. „Das ist jedesmal eine sehr eindrucksvolle Begegnung, vor allem die jungen Menschen erleben, was es eigentlich heißt, über Geschichte zu reden und dass sie das unmittelbar betrifft.“ Freilich tat in diesem Fall auch der erst vor wenigen Monaten uraufgeführte Film „Akte Grüninger“ über den St. Galler Polizeihauptmann, der die Grenzübertrittsbestimmungen so interpretierte, dass er Tausende retten konnte, seine Wirkung.

Das Urteil gegen Grüninger der aufgrund seines humanen Handelns Beruf und Einkommen verlor, ist erst vor wenigen Jahren revidiert worden, nicht zuletzt ist das dem Engagement von Historikern zu verdanken. Es waren zum Teil dieselben, die vor rund dreißig Jahren für die Errichtung des Jüdischen Museums Hohenems eintraten und die sich nach der Eröffnung des Hauses intensiv bemüht haben, Aufklärung zu betreiben und die Erinnerung zu wahren, etwa das einstige Jüdische Viertel in Hohenems wieder sichtbar zu machen. Die ehemalige Synagoge ist inzwischen ein Veranstaltungsort, den das Museum nutzt.

Als Bildungs- und Diskurseinrichtung versteht Hanno Loewy die Ausrichtung der Institution, die in der Villa Heimann-Rosenthal, dem ehemaligen Wohnsitz einer jüdischen Fabrikantenfamilie, untergebracht ist. „Es ist ein Ort, an dem man etwas lernt und an dem das Lernen verschiedene Formen hat. Es ist ein Ort, an dem Menschen miteinander lernen und an dem auch wir von unseren Besuchern lernen. Diese Feedback-Kultur ist für das Museum etwas ganz Zentrales und ich schließe da alle Bevölkerungsgruppen mit ein, von den Kindern bis zu den Senioren, von den Lehrlingen bis zu den Universitätsprofessoren.“

Sommeruniversität

Zwei Angestellte organisieren im Jüdischen Museum das Vermittlungsprogramm, dazu beschäftigt man eine Reihe von Guides, die ebenso Führungen übernehmen. Und wenn von Flucht und Fluchthelfern die Rede war, sei erwähnt, dass sich das Museum auch bei diesem Thema intensiv mit anderen Einrichtungen austauscht. In ständiger Kommunikation stehe man beispielsweise gerade mit den Kollegen in Warschau, Amsterdam und Budapest.

Vor ein paar Jahren schon hat Hanno Loewy eine Sommeruniversität als Ergänzung sämtlicher Bildungsangebote ins Leben gerufen. 50 bis 60 Studenten verweilen jedes Jahr in Hohenems. Die Dozenten kommen beispielsweise von den Universitäten in München, Basel, Wien, Zürich oder Heidelberg. „Mir ist es wichtig, dass die Studenten in dieser Zeit in intensivem Austausch mit den Dozenten stehen, auch die Abende miteinander verbringen, das ist sozusagen dann ein Kochtopf, in dem sehr viele Projekte entstehen, von denen alle profitieren.“ Gelegentlich entsteht dabei eine Mitarbeiterbörse, so haben sich einige Teilnehmer bereits als hervorragende Autoren für Publikationen zu Projekten des Museums erwiesen.

Ein Museum ist eine Bildungs- und Diskurseinrichtung.

Hanno Loewy

Jüdisches Museum

» Standort: Hohenems, Villa Heimann-Rosenthal, Schweizerstraße 5

» Leitung: Hanno Loewy

» Öffnungszeiten: Di bis So und feiertags, 10 bis 17 Uhr

» Dauerausstellung: Geschichte der Jüdischen Gemeinde von ihren Anfängen bis zum Ende im Nationalsozialismus nach 1938; Sonderausstellung: „Die ersten Europäer. Habsburger und andere Juden – eine Welt vor 1914“ bis 5. Oktober 2014

» Genealogie-Datenbank:
www.hohenemsgenealogie.at