„Es sind einige Perlen am Wachsen“

Extra / 18.06.2015 • 15:41 Uhr
Die Tourismusbranche blickt optimistisch in Richtung Sommer; aufgrund der Steuerreformpläne der Bundesregierung ist die Sorge um die wirtschaftliche Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit allerdings groß.  Foto: L. Berchtold
Die Tourismusbranche blickt optimistisch in Richtung Sommer; aufgrund der Steuerreformpläne der Bundesregierung ist die Sorge um die wirtschaftliche Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit allerdings groß. Foto: L. Berchtold

Im Gespräch: Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser und Tourismus-Spartenobmann Hans-Peter Metzler.

Bregenz. (VN-ger) Wieso Vorarlberg derzeit in allen relevanten Rankings immer weiter nach hinten rutscht, und mit welchen Erwartungen die Tourismusbranche in die Sommersaison startet.

Die Steuerreform war für den Tourismus ein böses Erwachen. Wie nehmen Sie derzeit die Stimmung in der Branche wahr?

Hans-Peter Metzler: Die Stimmung ist positiv, was den bevorstehenden Sommer anbelangt, aber gedrückt, wenn es um unsere wirtschaftliche Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit geht. Wir rutschen derzeit in allen relevanten Rankings immer weiter nach hinten. Vor allem wird durch die Mehrwertsteuererhöhung die Wettbewerbssituation im internationalen Vergleich verschlechtert. Durch die enorme Verteuerung der Betriebsübergaben wird der Nachfolgegeneration ein weiterer Rucksack mit auf den Weg gegeben, der es vielen jungen Menschen in unserer Branche verleiden wird, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Eine Branche, die in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich gearbeitet hat und immer ein festes Standbein war, wenn die Wirtschaft insgesamt geschwächelt hat, wird durch die Steuerreformpläne der Bundesregierung unverhältnismäßig zum Handkuss gebeten.

Herr Metzler, Sie haben angekündigt, nicht klein beigeben zu wollen. Was sind die nächsten Schritte?

Metzler: Die Steuerreform ist noch nicht beschlossen. Wir arbeiten derzeit noch intensiv daran, die für den Tourismus drohenden Belastungen zu verhindern bzw. zu korrigieren. Wir sind laufend auf Bundes- und Landesebene in Gesprächen und Verhandlungen. Besonders schön ist es, zu erfahren, dass die Landespolitik, allen voran Landeshauptmann Wallner, zu 100 Prozent hinter uns steht und uns massiv unterstützt.

Wie wird das rote Telefon angenommen?

Metzler: Die Einrichtung einer Bürokratieservicestelle in Verbindung mit einer Bürokratiehotline und dem Angebot eines Bürokratiecoaches für unsere Betriebe war eine richtige und wichtige Entscheidung. Anfragen und Problemfälle kommen seit dem Start vor wenigen Tagen laufend herein. Unsere Betriebe sind einfach nicht mehr in der Lage, die überbordende und ständig wachsende Bürokratie und Verwaltung zu überblicken. Sie sind überfordert und fühlen sich alleingelassen. Es ist hoch an der Zeit ernsthaft damit zu beginnen, Bürokratie auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene nicht nur zu stoppen, sondern wieder zurückzubauen, nicht nur neue Bürokratiebelastungen zu vermeiden, sondern auch bestehende Gesetze nach Möglichkeiten der Deregulierung zu durchforsten. Wir sind uns bewusst, dass das ein Langzeitprojekt ist und schwieriger wird, je mehr es in die Kompetenzbereiche von Wien und Brüssel geht.

Herr Rüdisser, das Land Vorarlberg hat eine Bürokratiekommission eingerichtet. Welche Spielräume hat das Land in Sachen Entbürokratisierung?

Karlheinz Rüdisser: Die Vorarlberger Landesregierung bekennt sich im Arbeitsprogramm „Vorarlberg gemeinsam gestalten“ klar zum Bürokratieabbau. Ziel ist es, gesetzliche Bestimmungen auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen, neue Gesetze möglichst einfach und verständlich zu formulieren und die Auslegung und Handhabung sowie eine einheitliche Interpretation des in verschiedenen Gesetzen verankerten Grundsatzes der wirtschaftlichen Vertretbarkeit und Zumutbarkeit zu gewährleisten. Dafür wurde ein Ausschuss für Deregulierung mit Vertretern von Land und Wirtschaftskammer unter Einbeziehung der Bezirkshauptmannschaften Bludenz und Bregenz eingerichtet. Unnötige Kosten und Verzögerungen sollen in Zukunft vermieden werden.

Der letzte Sommer war der beste Sommer aller Zeiten und das trotz schlechtem Wetter. Ist es eine neue Erkenntnis, dass die Gäste immer wetterunabhängiger reisen?

Rüdisser: Die Sommersaison des Vorjahres hat gezeigt, dass trotz der vielen Regentage im Hochsommer mehr Gäste als je zuvor nach Vorarlberg kamen. Angesichts des vielseitigen Urlaubs- und Ausflugsangebots spielt die Wetterabhängigkeit keine große Rolle mehr.

Was sind Ihre Erwartungen für den heurigen Sommer?

Rüdisser: Die im Sommer liegenden Potenziale werden in allen Destinationen zunehmend genutzt und auch im heurigen Sommer können Gäste wieder von vielfältigen und attraktiven Produkten und Packages profitieren. Auch neue Angebote, wie der „Umgang Bregenzerwald“ oder Ausstellungen, Wanderungen und Veranstaltungen zum Anlass „150 Jahre Erstbesteigung Piz Buin“, attraktivieren das Sommerangebot. Ich bin überzeugt, dass wir auch in dieser Saison mit erfreulichen Gästezahlen rechnen können.

Ein Teil der Tourismusstrategie 2020 ist die regionale Küche und Gastfreundschaft. Inwieweit können Veranstaltungen wie Forum Genuss Alpen zum Ziel, Nummer eins zu werden, beitragen?

Metzler: Das Forum Genuss Alpen wurde heuer zum ersten Mal durchgeführt. Es ist zum einen eine Botschaft nach innen, soll Bewusstsein bilden und Anregungen und Anreize schaffen. Das Forum Genuss Alpen wird längerfristig Wettbewerb und Kreativität fördern, neue Ideen in die Köpfe und auf den Teller bringen. Das Forum ist nicht nur eine kulinarische Reise, sondern auch eine Dialogplattform und eine kritische Auseinandersetzung mit regionaler Küche und Entwicklungen in unserer Branche insgesamt. Die Jugend mit den internationalen Stars in Küche und Service in Berührung zu bringen, war uns auch besonders wichtig. Da sind gerade einige Perlen am Wachsen, die unserer Branche noch viel Freude bereiten werden. Das Forum unterstützt auch den Dialog und die Zusammenarbeit mit unserer Landwirtschaft und hilft, die bestehenden Verknüpfungen weiter zu festigen und zu entwickeln.

Für den heurigen Sommer gibt es gleich viele Kontingentplätze für Mitarbeiter aus Drittländern wie im Vorjahr, das AMS bevorzugt heuer allerdings Anträge von Asylanten. Könnte die Vergabereglung durch das AMS zu einem Problem werden?

Metzler: Wir haben nach mehreren Jahren heuer erstmals wieder ein gleich hohes Saisonkontingent wie im Vorjahr bekommen. Das hätte an sich für diesen Sommer eine problemlose Mitarbeitersituation versprochen. Leider hat das AMS Vorarlberg entgegen der seit vielen Jahren geübten Praxis für heuer beschlossen, zuerst alle Anträge für Asylanten zu genehmigen und danach für alle Fachkräfte, auch wenn sie bisher noch nie in Österreich gearbeitet haben. Auf Betriebsgrößen und regionale Besonderheiten wurde nicht mehr Rücksicht genommen. Das hat dazu geführt, dass einige Betriebe langjährige Mitarbeiter in diesem Sommer nicht mehr beschäftigen konnten.

Bei den Schweizer Gästen gab es im Winter teilweise zweistellige Zuwachsraten. Ist das auch im Sommer so zu erwarten?

Rüdisser: Mit einem Gästeanteil von 13 Prozent sind die Schweizer Gäste in Vorarlberg sehr stark vertreten. Wir gehen davon aus, dass sich die Nachfrage aus der Schweiz auch im Sommer noch verstärken wird.

Inwieweit spielt dem Tourismus die gute deutsche Konjunkturlage in die Karten?

Rüdisser: Jährlich besuchen rund 2,2 Millionen Gäste unser Land und buchen 8,5 Millionen Nächtigungen. Mit einem Gästeanteil von 54 Prozent ist Deutschland der wichtigste Herkunftsmarkt. Vorarlberg profitiert als Tourismusland natürlich von der guten deutschen Konjunkturlage. Die Marktbearbeitung von Vorarlberg Tourismus und der Tourismusdestinationen ist darauf ausgerichtet, die Internationalisierung zu forcieren und den hohen Marktanteil in den Kernmärkten, insbesondere dem deutschsprachigen Markt, zu halten.

Angesichts des vielseitigen Angebots spielt die Wetterabhängigkeit keine große Rolle mehr.

KarlHeinz rÜDISSER
Karlheinz Rüdisser und Hans-Peter Metzler rechnen auch diesen Sommer mit einer erfreulichen Gästezahl.  Foto: VN/Paulitsch
Karlheinz Rüdisser und Hans-Peter Metzler rechnen auch diesen Sommer mit einer erfreulichen Gästezahl. Foto: VN/Paulitsch

Zur Person

Karlheinz Rüdisser

Landesstatthalter

Geboren: 25. Februar 1955

Familie: verheiratet, eine Tochter, zwei Söhne

Ausbildung: Matura an der Handelsakademie Bregenz, Studium der Handelswissenschaften an der WU Wien

Karriere: Wirtschaftsabteilung des Landes (1980–1986), Leiter der Wirtschaftsabteilung (1986–2008), Vizebürgermeister Lauterach (1995–2008), Landesrat (2008–2011), seit Dezember 2011 Landesstatthalter

Zur Person

Hans-Peter Metzler

Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der WKV

Geboren: 8. August 1965

Familie: verheiratet, drei Töchter

Ausbildung: 3 Jahre Tourismusschule Bludenz, 3 Jahre Aufbaulehrgang für höhere Tourismusberufe in Bludenz, Matura

Karriere: 1986 Übernahme der Verantwortung im elterlichen Betrieb, seit

2010 Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der WKV

Unternehmen: Hotel „Das Schiff “ in Hittisau