Theodor Schmolly, 3c, BG Gallusstraße, Bregenz

Wahrscheinlich nicht! Vielleicht kann ich wenigstens ein paar, die braven unter ihnen, überzeugen, sich in der Bibliothek Lektüre zu holen. Doch die wirklich vom Durchfallen bedrohten Rowdys werden mir sowieso nicht zuhören. Wie unerzogen diese Schüler einfach sind. Manche von ihnen rauchen schon, obwohl die Schule schon viele Anti-Raucher-Veranstaltungen organisiert hat.

In Gedanken versunken gehe ich langsam zu der berüchtigten Truppe hinüber. Sie spielen schon wieder an ihren Smartphones, obwohl es ganz oben in der Schulordnung steht, dass dies verboten ist. Soll ich mit ihnen schimpfen? Nein! Meine Ermahnung geht sowieso an ihnen vorbei. Mit ihren Eltern reden? Nein! Ihre Eltern sind froh, dass sie keine kleinen Streber als Kinder haben. Während der Überlegungen höre ich das Läuten der Glocke und ziehe mich langsam in die vierte Klasse, die jetzt Schularbeit hat, zurück.

Sie sitzen alle still auf ihrem Platz. Was ist hier los? Alle Rabauken, die sonst ständig Ärger machen, sind plötzlich ruhig. Ich teile erstaunt die Deutsch-Schularbeiten-Hefte aus. Kein Kommentar, kein hämisches Gelächter wie sonst. Etwas hier stimmt nicht. Es muss etwas faul sein. Sind sie erleuchtet worden? Staunend setzte ich mich auf meinen Platz am Pult. Ich hole aus meiner Tasche ein Buch und beginne zu lesen. Die Zeit schwimmt an mir vorbei. Ins Lesen bin ich immer versunken, wie in eine andere Welt, in der es keine Schüler gibt, die einem Streiche spielen, die über Lehrer lachen. Ich kann nicht verstehen, warum die heutige Jugend das Lesen nicht genießt wie die Kinder vor 40 Jahren.

Ich bin so ins Lesen vertieft, dass ich gar nicht merke, dass es zur Pause klingelt. Erst die Schüler reißen mich aus der Welt des Lesens. Sie stehen in einer ordentlichen Reihe vor meinem Pult und geben mir die Schularbeiten-Hefte ab. Als ich eines öffne, merke ich, dass nichts im Heft steht. Ich öffne noch fünf, doch alle sind leer! Ich wusste doch, dass etwas ganz und gar nicht stimmte!