„Der Mensch steht im Mittelpunkt“

Warum das neue Schul- bzw. Ausbildungskonzept ein Kernthema der Vorarlberger Tourismusstrategie ist.
Rankweil. (VN-ger) Gastronomie und Hotellerie schlagen bei der Ausbildung einen neuen Weg ein: Bildungsprojektleiterin Nicole Okhowat-Lehner (36) und der Bildungssprecher der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer, Elmar Herburger (60, Gasthof Mohren Rankweil) im VN-Interview.
Die Wintersaison steht vor der Tür. Konnten genügend Arbeitskräfte gefunden werden?
Elmar Herburger: Wie jedes Jahr werden vor dem Start der Wintersaison viele Leute gesucht, es ist ein Stress, bis jeder Betrieb seine Mitarbeiter hat, aber letztendlich kann man jetzt schon sagen, dass die meisten Arbeitsplätze besetzt sind.
Müssen viele Arbeitskräfte im Ausland rekrutiert werden?
Herburger: Das geht natürlich nicht anders. Wenn im Sommer 10.500 Menschen in unserer Branche arbeiten und wir im Winter fast 14.000 brauchen, dann kann man das nicht alles mit Vorarlbergern kompensieren. Bis jetzt war Deutschland der Hauptmarkt, vor allem mit den neuen Bundesländern. Inzwischen haben viele Deutsche wieder Arbeit in Deutschland gefunden und sind zurückgezogen, jetzt müssen wir auf Nachbarländer wie Ungarn oder Tschechien zurückgreifen. Dort gibt es auch viele Fachkräfte, die man gut brauchen kann. Das Wichtigste ist, dass sie Deutsch beherrschen und dass wir hier Schulungen anbieten, damit sie sich in unserer Region wohl fühlen.
Das neue Schul- bzw. Ausbildungskonzept ist ein Kernthema der Vorarlberger Tourismusstrategie 2020. Welche Vorbereitungen wurden hierfür bereits getroffen?
Nicole Okhowat-Lehner: Beim Schul- und Ausbildungskonzept sind wir mittlerweile so weit, dass wir einen Modellversuch mit den Betrieben starten können. Darin enthalten sind Maßnahmen wie ein Betriebswechsel oder eine überbetriebliche Praxis, das heißt die Auszubildenden werden auch in Sennereien und Weingütern geschult, also dort, wo das Produkt entsteht. Was das restliche Konzept betrifft, gehen wir jetzt eine Etappe nach der anderen.
HErburger: Wir haben ganz bewusst Betriebe motiviert, bei den Ausgezeichneten Lehrbetrieben mitzumachen, und sie erkennen auch, dass man bei der Ausbildung vieles verbessern muss. Jetzt sind wir ein Block von 33 Ausgezeichneten Lehrbetrieben, das entspricht einer Steigerung von 50 Prozent, und mit diesen Betrieben und ein paar anderen sind wir derzeit dabei, eine Kooperation aufzubauen, die den Auszubildenden einen Mehrwert gibt und letztendlich den Betrieben natürlich auch.
Hat der Bund das pädagogische Konzept bereits abgesegnet?
Herburger: Das pädagogische Konzept ist praktisch auf Schiene, das haben die Direktoren der Hotelfachschulen in Bezau und Bludenz sowie der Landesberufsschule in Lochau gemeinsam entwickelt. Derzeit werden noch die letzten Details ausgearbeitet. Es hat auch bereits Gespräche mit dem Ministerium gegeben. Die Experten sagen: Das ist eine tolle Sache, jetzt muss noch der politische Wille da sein, und da kämpfen wir noch ein bisschen, aber wir sind eigentlich überzeugt, dass wir das schaffen.
Gibt es bereits einen Standort für den Schulbau?
Okhowat-Lehner: Derzeit analysiert eine externe Firma im Auftrag des Landes mit den Direktoren und mit uns gemeinsam den Raumbedarf – was alles notwendig ist für die jetzige Landesberufsschule und für das neue Ausbildungskonzept. Bis Ende des Jahres sollten dann die ersten Planungen vorliegen. Anschließend wird es zur Ausschreibung des Standortes kommen und eine Standortanalyse durchgeführt werden.
Herburger: Es gibt ganz viele Gemeinden und Städte, die diese neue Schule gerne hätten. Mit diesem Verfahren soll die Standortfrage fair und neutral gelöst werden.
Welches sind die größten Veränderungen, die das neue Schul- bzw. Ausbildungskonzept mit sich bringen wird?
Herburger: In das neue Konzept sind alle drei Schulen miteingebunden. Die Tourismusschule in Bezau, die Tourismusschule in Bludenz und als dritter Standort wäre für uns der Bereich Rheintal/Unterland ideal. Die Ausbildung dauert künftig nicht mehr drei, sondern vier Jahre. Die Lehrlinge werden mehr Allgemeinbildung dabei haben und die Schüler der Hotelfachschule mehr Praxis. Bis die Schule gebaut ist und rechtlich alles durch ist, wird es noch zwei, drei Jahre dauern. Wir möchten aber im kommenden Jahr im Rahmen des Modellversuchs anfangen, Elemente dieses neuen Systems auszubilden.
Okhowat-Lehner: Wir reden von einer Schule, die drei Standorte hat. Jede Schule wird einen anderen Schwerpunkt haben – Bezau Regionalität und Küche, Bludenz Service und Gastfreundschaft und am neuen Standort Hotelmanagement. Damit können wir richtige Akademien schaffen.
Herburger: Ein wichtiger Punkt, wieso es künftig drei Schulstandorte geben wird, ist auch das Thema Weiterbildung. Wenn wir einen Standort im Bregenzerwald haben, einen in Bludenz und einen im Rheintal, dann können wir Weiterbildungen viel einfacher organisieren. Derzeit ist es ganz schwer für unsere Leute, während der Saison eine Weiterbildung zu machen. Ein weiteres Ziel sind Umbauten in Bezau und Bludenz. Halbzusagen sind bereits da. Aber es geht ja darum, was in den Gebäuden stattfindet.
Vor knapp einem Jahr wurde die Initiative „Stars hinter den Sternen“ ins Leben gerufen. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Okhowat-Lehner: Das Feedback ist unheimlich gut, ich war sehr, sehr überrascht, wie viel wir von allen Seiten darauf angesprochen wurden, auch von den jungen Leuten. Das Tolle daran ist, dass sich die Betriebe als Ausbildner bei den Lehrlingen bewerben und auch ihren USP preisgeben – warum sollst du zu mir kommen, was biete ich dir. Wir wollen die Menschen in den Mittelpunkt stellen und das kommt an. Die zweite Schiene in der Kampagne sind die Karrieremöglichkeiten die wir kommunizieren, und da arbeiten wir ganz bewusst mit Superstars zusammen, die wir ja in der ganzen Welt haben.
Noch immer werden die Jobs im Tourismus mit langen Arbeitstagen und schlechter Bezahlung in Verbindung gebracht…
Herburger: Diese Vorurteile leben leider immer noch, obwohl ich glaube, dass sie nicht stimmen. In unserer Branche verdient man heute gleich viel wie in anderen Branchen. Die meisten Betriebe haben geregelte Arbeitszeiten, Fünftagewoche. Unser Nachteil ist halt, dass man oft am Wochenende und am Abend arbeiten muss, das können wir nicht abschaffen, weil wir sonst keine Gäste mehr haben.
Mit welchen Wettbewerbsvorteilen kann Vorarlberg auch künftig gegenüber anderen Regionen punkten?
Herburger: Die Tourismusstrategie beruht auf den drei Säulen Regionalität, Gastfreundschaft und Nachhaltigkeit. Und ich glaube, dieses Gesamtpaket ist es, zusammen mit der Landschaft, das die Gäste schätzen. Wenn wir diese Stärken weiterhin noch mehr stärken, dann sind wir auch wettbewerbsfähig.
Diese Vorurteile gibt es leider noch immer, obwohl ich glaube, dass sie nicht stimmen.
Elmar Herburger
Wir sind mittlerweile so weit, dass wir einen Modellversuch mit den Betrieben starten können.
Nicole Okhowat-Lehner
