Grundlegende Regeländerungen

Extra / 09.06.2016 • 18:59 Uhr
Grundlegende  Regeländerungen

Am 1. Juni treten die vom International Football Association Board (IFAB) beschlossenen Regeländerungen in Kraft. Das erste Mal werden wir sie bei der EURO zu sehen bekommen. Angekündigt wurde eine grundlegende Änderung der Spielregeln. Ca. 10.000 Wörter wurden aus dem alten Regelbuch gestrichen, 95 Änderungen durchgeführt. Ziemlich viel, wenn man bedenkt, dass das Regelwerk gerade mal 17 Regeln umfasst.

Die meisten Änderungen betreffen jedoch Formulierungen, die präziser gemacht wurden, damit weniger unterschiedliche Interpretationen möglich sind. Also in dem Sinn keine wirkliche Regel­änderung. Es gibt jedoch die eine oder andere neue Regel, die die Schiedsrichter wieder vor schwierige Aufgaben stellt.

Da wäre zum einen die sogenannte „Dreifachbestrafung“, also ein Vergehen im Strafraum, das einen Strafstoß zur Folge hat und darüber hinaus mit der Roten Karte wegen Torchancenverhinderung bestraft wird. Diese Auslegung der Regel wird schon seit Jahren von Deutschland aus massiv kritisiert. Nun hat sich der IFAB zu folgender Adaptierung entschlossen: Statt der Roten Karte gibt es jetzt die Gelbe Karte, plus Strafstoß, wenn die Attacke dem Ball gilt. Alle Vergehen, bei denen nicht um den Ball gekämpft wird (z.B. Halten, Stoßen, Ziehen) werden nach wie vor mit der Roten Karte bestraft. So weit, so gut. Schwierig wird es für die Schiedsrichter nur dann, wenn es sich um ein Fußfoul handelt. Hier muss innerhalb einer Sekunde beurteilt werden, ob der Ball gespielt werden konnte oder nicht. Somit kann man bei dieser Regel­änderung nicht gerade von einer Erleichterung für die Schiedsrichter sprechen.

Für Diskussionen könnte auch die Verschärfung der Ausführung des Strafstoßes sorgen. Wenn der Schütze beim letzten Schritt stoppt, ein anderer Mitspieler den Schuss ausführt (in beiden Fällen eine Gelbe Karte) oder der Ball nach hinten gespielt wird, dann gibt es sofort einen indirekten Freistoß für die verteidigende Mannschaft. Das ist relativ leicht zu überwachen. Nicht ganz so einfach wird die Sache mit dem Tormann. Sollte sich dieser zu früh von der Linie nach vorne bewegen und der Ball geht nicht ins Tor, dann gibt es eine Wiederholung und eine Gelbe Karte für den Tormann. Und jetzt mal ehrlich, wie oft macht der Tormann einen Schritt nach vorne, bevor der Ball geschossen wurde? Wenn man nun bedenkt, dass sich der Tormann im Wiederholungsfall wieder zu früh nach vorne bewegt, müsste er mit Gelb-Roter Karte ausgeschlossen werden. Diskussionen vorprogrammiert!

Eine wichtige Änderung, die bisher eigentlich noch keine Beachtung gefunden hat, ist das Einwirken von Ersatzspielern, Teamoffiziellen, ausgetauschten und ausgeschlossenen Spielern. Wenn diese nun eine Unterbrechung verursachen, dann gibt es entweder einen direkten Freistoß oder Strafstoß. Ein Beispiel dazu: Ein Ersatzspieler läuft auf das Feld und behindert einen Gegenspieler. Was früher noch ein indirekter Freistoß war, ist jetzt ein direkter Freistoß oder Strafstoß. Hängt natürlich vom Ort des Vergehens ab. Ein anderes Beispiel. Sollte nun ein Ersatzspieler aufs Feld laufen und ein Gegentor verhindern wollen, was ihm jedoch nicht gelingt, dann ist das Tor jetzt gültig. Vorher war dies nicht möglich. Also eine durchaus sinnvolle Änderung.

Interessant ist auch jener Umstand, der zu einem direkten Freistoß oder Strafstoß führen kann. Und zwar dann, wenn ein Spieler im Zuge des Spielgeschehens über die Begrenzungslinie gelangt und dort ein Foulspiel begeht. Vor dem 1. Juni gab es dafür nur einen SR-Ball, da das Vergehen außerhalb des Spielfeldes war.

Hier noch eine kleine Zusammenfassung der wichtigsten Regeländerungen:

» Hat ein verletzter Spieler eine Behandlung nötig, dann kann er unter Umständen nach dieser auf dem Spielfeld bleiben. Voraussetzung dafür ist allerdings, es muss eine Gelbe oder Rote Karte für das Vergehen gegeben haben und die Behandlung darf nicht länger als 20 bis 25 Sekunden dauern.

» Der Anstoß kann nun in jede Richtung gespielt werden. Also auch zurück in die eigene Spielhälfte.

» Einwürfe müssen mit beiden Händen gleich kräftig ausgeführt werden. Also den Ball mit einer Hand zu schleudern, und die andere nur als Stützhand zu verwenden, ist nicht erlaubt.

» Der Schiedsrichter kann nun ab der Inspektion des Platzes (gewöhnlich 1,5 Std. vor Spielbeginn) einem Spieler die Spielerlaubnis verweigern, sofern dieser ein dementsprechendes Vergehen begeht.

» Nun können auch Tore ohne Schuhe erzielt werden. Jedoch darf ein Spieler nur bis zur nächsten Unterbrechung ohne Schuh spielen. Das Gleiche gilt auch für Schienbeinschoner.

» Das Abseits wird nun dort bestraft, wo der Spieler bei der Ballannahme stand. Somit kann der indirekte Freistoß sogar in der eigenen Spielhälfte sein.

» Bei den Spielfortsetzungen muss sich der Ball nun klar bewegen. Ein Antippen ist nicht mehr ausreichend.

» Eine Gelbe Karte für ein Handspiel gibt es nur noch, wenn ein aussichtsreicher Angriff unterbunden wurde, oder versucht wird ein Tor zu erzielen oder zu verhindern.

In letzter Zeit wurde auch häufig über kuriose Regeländerungen geschrieben. So z. B. über die Farbe der Unterhosen. Es ist mir ein Bedürfnis, dieses Missverständnis aufzuklären. Hier hat sich gar nichts geändert! Nur der Regeltext wurde präziser. Denn auch schon in der Vergangenheit waren diese Unterziehhosen, bekannt als „Radlerhosen“, nur in derselben Farbe wie die Trikothose erlaubt. Das gleiche gilt für die Tapes, die um die Stutzen gewickelt werden. Auch diese mussten vor dem 1. Juni in derselben Farbe sein. Also viel Lärm um nichts!

Es wird bestimmt eine gewisse Zeit brauchen, bis die Schiedsrichter, aber vor allem die Spieler und Zuschauer sich mit den Regeländerungen vertraut gemacht haben. Von dieser Seite her freue ich mich schon auf die EURO und die vielen richtigen Entscheidungen, natürlich nach den neuen Regeln.