Oh là là, David Alaba: Der Zirkus ist in der Stadt

Österreichs Team sagte beim ersten Training in Mallemort über 500 Fans „Bonjour“.
Mallemort. Seit Mittwochabend sagen einander in Mallemort nicht nur Fuchs und Henne Gute Nacht, sondern auch (Christian) Fuchs und (Martin) Harnik. Der beschauliche 7000-Einwohner-Ort in der französischen Provence hat zwar historisch interessante Bauwerke oder ein Fahrzeugmuseum mit gut erhaltenen Dampfwalzen und Planierraupen zu bieten, Spektakel-Touristen sind hier aber normalerweise an der falschen Adresse. Jetzt herrscht in Mallemort der Ausnahmezustand. Die österreichische Fußball-Nationalmannschaft hat im örtlichen Hotel-Resort Le Moulin de Vernègues sein EURO-Basislager aufgeschlagen und ist vorübergehend die größte Sehenswürdigkeit im Ort. Mit einem öffentlichen Training sagte Kollers Kollektiv gestern offiziell „Bonjour“ zu Land und Leuten. Die 500 Tickets für die Vorführung waren schnell an Mann, Frau und Kind gebracht.
Wirklich bummvoll war die Tribüne dann doch nicht besetzt, als Österreichs Team-Kicker bei hochsommerlichen Temperaturen im „Stade d’Honneur“ auf den Platz trotteten. Volksfest-Stimmung gab es trotzdem, vor allem den Kindern machte der ganze Zirkus um die prominenten Gäste sichtlich Spaß. Die Topattraktion hieß natürlich David Alaba, dessen Kunststücke beim Publikum Ah’s und Oh’s und Oh-là-là’s hervorriefen. Anstelle der angekündigten 50 österreichischen Schlachtenbummler waren etwas weniger gekommen, nämlich genau zwei, das Ehepaar Uschi und Jochen Plasser aus dem steirischen Köflach. Der ehemalige Unterhaus-Fußballer wurde in Ermangelung von Alternativen von einer TV-Station zur anderen gezerrt und gab gestern mehr Interviews als jeder Teamfußballer. „Andy Warhol hatte doch recht, als er behauptete, dass jeder Mensch einmal 15 Minuten weltberühmt sein wird“, fasste Herr Plasser den Hype um seine Person zusammen. Nach dem Training landete ein von seinem steirischen Landsmann Sebastian Prödl geschossener Ball in seinen Händen – da kam zur Berühmtheit eine Glückseligkeit auch noch dazu.
Dass Marc Janko immer noch nicht voll mittrainieren konnte (Muskelverspannung) und auch Marko Arnautovic nach einem Gewaltschuss im abschließenden Trainingskick etwas angeschlagen wirkte, haben die meisten Augenzeugen nicht mitbekommen. Das war am Abend eher ein Thema für die zahlreichen österreichischen Journalisten, die in Mallemort mit zunehmender Ungeduld auf eine heiße Story lauern.
Keine Ausreden mehr
Nach dem nicht öffentlich zugänglichen Vormittagstraining wurden zu Mittag in der rituellen Pressekonferenz die Medien gefüttert. Erwartungsgemäß lobte Koller die ausgezeichneten Rahmenbedingungen, die eine optimale Vorbereitung auf den EURO-Start am Dienstag in Bordeaux gegen Ungarn (18 Uhr) erlauben sollten. Sogar der Rasen auf dem Trainingsplatz ist nach anfänglichen Wachstumsstörungen in Topform. Koller: „Jetzt liegt es an uns, die Leistung auf dem Spielfeld zu bringen.“ Das sieht auch Martin Harnik so, der bei der Abreise am Vortrag noch mit einem „Fehl-Pass“ aufgefallen war (der deutsch-österreichische Doppelstaatsbürger hatte sein Reisedokument vergessen): „Alles ist hier perfekt, es gibt keine Ausreden mehr.“
Eine Marke geworden
Neben dem Schweizer Koller und Österreichs Lieblings-Piefke Harnik blickte auf dem Podium der Mittags-Pressekonferenz Sebastian Prödl in den Rückspiegel. Der 28-jährige Steirer war schon 2008 bei der überschaubar erfolgreichen Heim-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz im rot-weiß-roten Team und zog interessante Vergleiche.
„Damals und heute, das ist ein Riesenunterschied. Das Gesamtpaket ist jetzt ganz anders.“ Nicht nur die Spieler hätten sich weiterentwickelt, auch der Fußballverband. „Das Rundherum ist optimal, der ÖFB hat das Vorbereitungsprogramm klug ausgewählt.“
Kollers Handschrift beschreibt Prödl so: „Wir haben einen eigenen Spielstil entwickelt. Der österreichische Fußball ist wieder eine Marke geworden.“ Die nächsten Wochen werden den Wert dieser Marke definieren. Höchste Zeit, dass endlich der Ball ins Spiel kommt. Koller: „Hier ist nicht nur das Wetter heiß, wir sind es auch.“
Christoph Zöpfl schreibt für die Oberösterreichischen Nachrichten aus Mallemort