„Regionale Schätze auf den Speiseplan bringen“
Sutterlüty arbeitet mit 1500 kleinstrukturierten regionalen Produzenten zusammen.
Egg. Gesicherte Absatzmengen und kalkulierbares Einkommen machen eine Partnerschaft mit Sutterlüty für Landwirte „b’sundrig“ interessant. Derzeit fließt jeder dritte bei Sutterlüty ausgegebene Euro wieder zurück in die Region. Im Endeffekt profitieren aber auch das Land und die Konsumenten von den regionalen Partnerschaften. Sowohl die regionale Genusskultur als auch der Erhalt der vielfältigen Vorarlberger Kulturlandschaft sind dadurch langfristig gesichert. „Eine nachhaltigere Wirtschaftsweise ist für uns wesentlicher Bestandteil der Unternehmensausrichtung. Darunter verstehen wir, zu schätzen und zu fördern, was uns die Region zu bieten hat, sowie den respektvollen Umgang mit Mensch, Tier und Umwelt. Die Vision von einer bewussten Gesellschaft, in der jeder Einzelne den Wert regionaler Lebensmittel begreift, ist für uns essenziell, bedarf aber aktiver Bewusstseinsbildung“, informiert Jürgen Sutterlüty. „Regionale Produkte sichern die Zukunft unserer Bauern und Betriebe, haben eine nachvollziehbare Herkunft, werden aus frischen, regionalen Zutaten hergestellt, sichern unsere Arbeitsplätze im Land, schützen unsere Umwelt dank kurzer Transportwege und weniger CO2-Ausstoß und helfen, unsere Kulturlandschaft zu erhalten.“
Was ist Euer Ziel?
Sutterlüty: Unser Unternehmen ist 1952 aus einer Landwirtschaft mit angeschlossenem Sägewerk entstanden. Beides Branchen der Urproduktion, in denen ehrliche Handarbeit geschätzt wird. Daran hat sich bis heute nichts geändert. In einer Welt, die immer näher zusammenrückt und gerade deshalb immer globaler wird, keimt bei vielen die Sehnsucht nach Vertrautem. Überall werden Produkte angeboten, die alle Welt kennt und die dennoch völlig anonym sind. Bei uns im Ländle gibt es eine Vielzahl regionaler Produkte, die für uns immer schon das Naheliegendste waren, von denen viele jedoch im weltweiten Überangebot in Vergessenheit geraten sind. Schon vor vielen Jahren haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, diese regionalen Schätze zu heben und wieder auf den täglichen Speiseplan zu bringen. Unser Ziel ist es, dass b’sundrige Produkte aus der Heimat wiederentdeckt werden und der regionale Kreislauf gestärkt wird. Die regionale Ausrichtung und die Zusammenarbeit mit Partnern aus der Region sind der Grund dafür, dass wir bis heute erfolgreich im sehr harten Wettbewerbsumfeld des Lebensmittelhandels agieren. Unsere Kunden sehen uns als den familiären Lebensmittelhändler mit den einzigartigen Produkten aus der Region. Das ist unsere Existenzberechtigung und diese Philosophie differenziert uns von den Mitbewerbern und spricht gleichzeitig immer mehr Menschen hier im Land an.
Wie sieht der gemeinsame Weg in eine gesunde Lebensmittelzukunft aus?
Sutterlüty: Ich bin der festen Überzeugung, dass das eine Frage von Bildung und Wissen ist. Früher war das Bewusstsein für den Wert guter Lebensmittel bei den Menschen viel stärker verankert, weil ein großer Teil der Bevölkerung im Agrarsektor gearbeitet hat. Die tägliche Arbeit mit den Produkten, die gleichzeitig Einkommens- und Ernährungsgrundlage waren, hat ein Grundlagenwissen erfordert. Durch die Industrialisierung im Agrarsektor und die damit einhergehende Arbeitsteilung hat der Großteil der Menschen wenig bis überhaupt keine Ahnung mehr vom Ursprung und der Herkunft von Lebensmitteln. Das Wissen darüber ist einfach verloren gegangen. Da sich unsere Bildungsinstitutionen dem Thema Lebensmittel und Ernährung nicht im nötigen Ausmaß annehmen, schlittern wir langsam, aber sicher immer weiter in eine gefährliche Negativspirale. Immer mehr Menschen sind übergewichtig, falsch ernährt und leiden an Krankheiten, die damit in Verbindung zu bringen sind. Der massive Anstieg der Fettleibigkeit beschränkt sich schon lange nicht mehr nur auf die USA und Europa, sondern betrifft auch Asien und Südamerika. Gesundheitssysteme werden unfinanzierbar. Stellt sich die Frage, wie lange es dauert, bis wir den Tipping-Point erreichen – das ist jener Punkt, an dem eine Entwicklung so lange gedauert hat, bis es zu einem Umkehreffekt führt. Und wenn sich ein System nicht mehr finanzieren lässt, werden Überlegungen zur Strategieänderungen folgen müssen. Die Gegenentwicklung ist heute in Ansätzen spürbar, bei aktuellen Ernährungstrends, beim Boom von Kochshows und –blogs, Urban-Farming-Projekten, beim Verbot zum Verkauf von Produkten mit übermäßigem Zuckergehalt in bestimmten Ländern usw.
Wie läuft Gegensteuern ab?
Sutterlüty: Das kann auf zwei Ebenen stattfinden: Mit Verboten durch den Gesetzgeber oder durch die Förderung und Unterstützung von Maßnahmen für bessere und gesündere Lebensmittel. Das kann sowohl im Agrarsektor als auch im Bildungsbereich passieren. Mir persönlich wäre jene Variante die liebste, bei welcher die intrinsische Motivation für gute Lebensmittel angeregt würde. Aber ehrlich gesagt glaube ich selbst nicht mehr daran. Es wird ohne entsprechende gesetzliche Maßnahmen nur schwer eine Veränderung herbeizuführen sein.
Ihr motiviert regionale Zulieferer auch zur ökologischen Kreislaufwirtschaft. Wie entwickelt sich diese?
Sutterlüty: Die Entwicklung pro Bewusstsein ist ein Prozess. Im Falle der ökologischen Kreislaufwirtschaft ist schon viel passiert, und gleichzeitig kann und soll noch viel mehr passieren. Man kann allerdings nichts erzwingen. Es bedarf einer ständigen Bewusstseinsbildung. Die vielen Gespräche und Diskussionen lassen den einen oder anderen Partner vermehrt zur Erkenntnis kommen, im Einklang mit der Natur zu wirtschaften. Handelsunternehmen sind bekannt dafür, dass sie ihren Partnern die eigenen Absichten aufzuzwingen. Wir gehen bewusst einen anderen Weg. Wir möchten als Vorbild mit gutem Beispiel voranschreiten. So sind wir seit 2016 ein zu 100 Prozent klimaneutrales Unternehmen. Mit dieser Vorreiterrolle wollen wir motivieren, uns auf diesem Weg zu begleiten. Die Entwicklungen in unserer Landwirtschaft sind positiv. Natürlich haben ein paar Skandale ihren Beitrag zum Wandel geleistet. Aber wenn sich die Entwicklung von Heu- und Biomilch oder der Verzicht auf Soja in der Tierfütterung sukzessive im Gedankengut der Bauern verfestigt, dann breche ich gerne eine Lanze und spreche den regionalen Partnern und Produzenten ein offenes Lob für ihre Bemühungen aus.
Was muss sich in Sachen Subventionen ändern, und wie sieht es mit Gentechnikfreiheit aus?
Sutterlüty: Die Folge des Wegfalls der Quotenregelung am Milchmarkt innerhalb der EU war ein massiver Anstieg der Milchmengen, weil sich die Landwirte durch mehr Menge höhere Einkommen erwarteten. Der freie weltweite Markt hat darauf marktgerecht reagiert – die Preise sind gefallen! Nachdem die direkten Subventionen auf das Produkt – in unserem Beispiel die Milch – gefallen sind, reagiert die EU mit neuem Markteingriff durch Förderung all jener Bauern, die weniger Milch produzieren. Die Mengen gehen wieder zurück und die Preise etwa bei Butter durch die Decke. Diese EU-Maßnahme führte in Holland dazu, dass innerhalb weniger Wochen 200.000 Kühe zur Bestandsreduktion geschlachtet wurden. Der Milchmarkt mit den vielen Produkten ist weltweit gesehen riesig. Veränderungen haben somit eine große Auswirkung auf viele Branchen. Stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten des Einflusses zum gerechten Ausgleich der EU in einem so heterogenen Markt wie Europa zur Verfügung stehen. Würde sie dem Weltmarkt freien Lauf lassen, wäre die Landwirtschaft im Alpenraum von heute auf morgen ohne Existenzgrundlage. Meine persönliche Meinung ist jene, dass es bei uns eine Unterstützung für die Landwirtschaft braucht. Diese sollte aber nicht direkt an das Produkt gebunden sein – in unserem Fall die Milch –, sondern an anderen Faktoren bemessen werden. In Vorarlberg gibt es ja bereits die Flächenprämie in der Alpwirtschaft – diese, erweitert um Kriterien wie Wirtschaftsform, also Heumilch, Bio, Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeit usw. würde nicht eine mengenorientierte Landwirtschaft unterstützen, sondern eine qualitätsorientierte. Dann kann sich der Bauer überlegen, ob er mit einer nachhaltigen Wirtschaftsweise und Kühen mit 5000 Litern Jahresmilchleistung auf höchstem Qualitätsniveau wirtschaften will und dafür Unterstützung bekommt, oder ob er zu Weltmarktpreisen im Leistungsniveau von 10.000 Litern ohne Unterstützung arbeiten will. Beim Kraftfutter wird hier seit Kurzem auf den Einsatz von Soja aus Südamerika verzichtet. Eine Hochleistungskuh kann nicht plötzlich lediglich auf Gras und Kräuter umgestellt werden. Das käme einer Extrem-Diät gleich und würde ihr schaden. Veränderung muss ganzheitlich gesehen werden, und da wäre mein Ansatz mit qualitativen Förderungen sicher der bessere. Abgesehen davon wäre das auch im Sinne unserer Tourismusstrategie zum Erhalt unserer Kulturlandschaft.
Immer mehr Vorarlberger entdecken die regionalen Naturprodukte aus dem Ökokreislauf wieder.
jürgen sutterlüty