„Der Mensch ist der beste Prüfer“

Extra / 29.12.2016 • 17:49 Uhr
In der Collini Gruppe werden Lehrlinge auf Herausforderungen der Zukunft, wie Digitalisierung, Globalisierung und Individualisierung, vorbereitet.
In der Collini Gruppe werden Lehrlinge auf Herausforderungen der Zukunft, wie Digitalisierung, Globalisierung und Individualisierung, vorbereitet.

Lehre 4.0 bedeutet für Lehrlinge bei Collini in Hohenems, Verantwortung zu übernehmen.

Hohenems. (cro) 4.0 ist eine Zahl, die für viele nichts Gutes verheißt. Sie steht für die Digitalisierung, die die Arbeitswelt erheblich verändern wird. Viele fragen sich daher, was aus ihren Arbeitsplätzen wird, wenn Maschinen, Roboter und Informationstechnologie die Produktion übernehmen. 4.0 schwebt daher wie ein Schreckgespenst über den Köpfen der Menschen und vor allem auch der Eltern, die sich fragen: Hat die duale Ausbildung noch Zukunft? „Mehr denn je“, sagt Guntram Obwegeser, Lehrlingsbeauftragter der Collini Gruppe mit aktuell 81 jungen Leuten in Ausbildung. „Denn neue qualifizierte Arbeitsplätze entstehen, und darauf wollen wir vorbereitet sein.“

Lehre 4.0

Die Strategie, die das Unternehmen zukunftsfit machen soll, hat längst einen Namen: „Lehre 4.0“.

Seit Herbst gibt es bereits 33 junge Menschen, die bei Collini den ersten Schritt in die neue Arbeitswelt gehen. Unter ihnen Mustafa Hastürk. Der junge Mann, in dessen Internetprofil das Motto „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deine Träume“ steht, hat sich für eine Ausbildung zum Oberflächentechniker entschieden. Ein Beruf, bei dem es um die Bearbeitung von Oberflächen geht. Um Dinge zu veredeln und verschönern zu können, braucht es vor allem eines: viel Mathe-, Chemie- und Physik-Wissen. Und hier beginnt die erste große Veränderung der Lehre 4.0. „Schulnoten sind nicht das Auswahlkriterium für uns“, erklärt der ehemalige Mittelschullehrer und ist überzeugt: „Schulwissen kann man nachholen.“ Vielmehr werden junge Menschen gesucht, die begeistert, motiviert und willig sind. Das lässt sich nicht aus den Zeugnissen lesen, sondern das erkennt Obwegeser, wenn die Schüler zum Schnuppern kommen.

Verantwortung übernehmen

Dennoch geht es auch bei Collini nicht ohne zu lernen. Auch dabei wird ein neuer Weg eingeschlagen. „Mit Lehre 4.0 entwickeln sich die Jugendlichen vom passiven Bildungskonsumenten zum aktiven Gestalter ihrer Lehre“, erklärt der erfahrene Lehrlingsbeauftragte. Das Motto dabei lautet: Menschen wachsen an ihren Herausforderungen. Und die beginnen gleich am ersten Tag. Dann bekommt jeder neue Rookie – so heißen die Lehrlinge bei Collini – einen Paten zur Seite gestellt.

Bei Mustafa ist das Anna-Lena Ritter. Sie befindet sich bereits im dritten Lehrjahr und weiht den jungen Auszubildenden nun eigenverantwortlich in die Geheimnisse des Galvanisierens ein. „Das ist für beide Seiten eine echte Win-Win-Situation“, ist Obwegeser überzeugt. Denn die Idee einer stärkeren Verantwortungsübernahme der Lehrlinge für ihre Ausbildung und das Lernen durch Helfen entsprechen dem, was die Zukunft mit sich bringen wird. Nämlich sich in einem ständig weiterentwickelnden System flexibel neuen Herausforderungen stellen zu können.

Ausbildung auf Augenhöhe

Es heißt aber auch für die Lehrlingsausbilder, sich mit neuen Kompetenzen auseinanderzusetzen. Statt Wissen zu vermitteln, stehen nun individuelle Lernprozesse, Coaching und moderne Lernmethoden im Vordergrund. Und auch die Einstellung ist eine andere. Hierarchie war gestern. Heute begegnen sich Lehrlinge und Ausbilder auf Augenhöhe. Vorgesetzte werden zu Begleitern, die die jungen Menschen in ihrer Lebenswelt abholen. Und die hat sich ja in den letzten zehn und fünfzehn Jahren auch stark verändert, oder?

Die Collini Gruppe gehört zu den Industriebetrieben und betreibt industrielle Serienfertigung in Großauflage. Beispielsweise werden in Hohenems die Handrasierer der Marke Gillette veredelt. Täglich kommen 800 Tonnen Metallteile ins elektrolytische Bad. Das entspricht einem Gewicht von 200 ausgewachsenen Elefanten. Natürlich stehen auch hier im digitalen Wandel der Wertschöpfungskette Veränderungen bevor. Doch Obwegeser ist überzeugt, ohne hervorragend ausgebildete Facharbeiter geht gar nichts. „Der Mensch ist der beste Prüfer!“, sagt der Ausbildungsbeauftragte und will sie mit der geänderten Ausbildungsstrategie neue schöpferische sowie Erlebnis und Einstellungs-Werte lehren. „Voneinander und miteinander lernen, bedeutet neue Chancen und Perspektiven“, ist er sicher, dass die Lehre 4.0 eine solche zukunftsträchtige Perspektive ist.

Voneinander und miteinander lernen, bedeutet neue Chancen und Perspektiven. Da bin ich mir sicher.

Guntram Obwegeser
Auch die Lehre 4.0 braucht engagierte Lehrlinge, die den Willen zur Ausbildung zeigen. Das funktioniert allerdings sehr gut.
Auch die Lehre 4.0 braucht engagierte Lehrlinge, die den Willen zur Ausbildung zeigen. Das funktioniert allerdings sehr gut.

Collini Gruppe

» Hauptsitz: Hohenems

» Standorte: 12 Betriebe in Österreich, Deutschland, Schweiz, Italien und Russland

» Mitarbeiter: 1400; davon 500 in Vorarlberg

» Umsatz:
Konsolidierter Umsatz 2014 (Collini Gruppe) 181 Mio. EUR
Umsatz pro Mitarbeiter (Collini Gruppe) 129.000 EUR

» Produkte: Schichtsysteme als metallische Oberflächenveredelung für Möbelbeschläge, Automotive Coating Engineering, Konsumgüter, Medizintechnik, Baubeschläge und Hochbau, Maschinenbau, Elektro- und Halbleiterindustrie, Telekommunikation, Energiewirtschaft.