Ein Bluttest lüftet Gendefekt

Gesund / 28.06.2013 • 10:58 Uhr
Dr. Simona Müller (r.) hat sich auf die Behandlung AAT-Mangel spezialisiert. Foto:VN/Hofmeister
Dr. Simona Müller (r.) hat sich auf die Behandlung AAT-Mangel spezialisiert. Foto:VN/Hofmeister

Mangel an Alpha-1-Antitrypsin hat Folgen, kann aber gut behandelt werden.

Hohenems. (VN-mm) Atemnot, chronischer Husten, zerstörtes Lungengewebe: Das sind die Folgen eines Alpha-1-Antitrypsin-Mangels. Dieses Zuwenig an einem bestimmten Protein beruht auf einem Gendefekt. Er kommt zwar relativ selten vor, doch wenn mit fatalen Auswirkungen auf die Lunge, weil die Krankheit oft sehr spät bzw. gar nicht erkannt wird. Der Grund: Die Symptome ähneln jenen einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). „Dabei kann ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel durch einen einfachen Bluttest festgestellt und wirksam behandelt werden“, sagt OÄ Dr. Simona Müller vom LKH Hohenems. Sie leitet das AAT-Zentrum, das dort seit gut einem Jahr besteht.

Verschiedene Varianten

Den Anstoß zur Einrichtung gab ein älterer Patient aus dem Bregenzerwald. „Es stellte sich die Frage, ob wir ihn zur Therapie nach Wien schicken oder uns um ein Behandlungszentrum bemühen sollten“, berichtet Simona Müller. Da es in anderen Bundesländern bereits solche Zentren gab, wurde entschieden, selbst aktiv zu werden. Das Alpha-1-Antitrypsin-Zentrum ist der Pulmologischen Abteilung angegliedert. Derzeit sind acht Patienten mit der sogenannten Z-Variante und sechs mit der MZ-Variante im Register eingetragen. Wobei ein Betroffener schon eine Lungentransplantation hatte, ein anderer wird derzeit in Wien darauf vorbereitet. Bei einem unbehandelten AAT-Mangel bleibt nämlich oft nur noch dieser Ausweg.

Die Bildung besagten Proteins erfolgt in der Leber. Es unterscheidet sich durch verschiedene Varianten. „M steht für normal“, erklärt die Lungenfachärztin. „Z“ bedeutet, dass sich sehr wenig des für den Schutz der Lunge notwendigen Proteins im Blut befindet. Der Defekt resultiert aus dem Umstand, dass Betroffene zwei Z-Gene in sich tragen. Bei der 0-Variante bildet die Leber überhaupt kein AAT. Diese Ausprägung ist laut Müller aber äußerst selten.

Langer Weg zur Diagnose

Säuglinge mit einem AAT-Mangel fallen durch eine länger andauernde Gelbsucht auf. „In diesem Fall ist unbedingt ein Bluttest zu machen“, betont Dr. Simona Müller. Wenn sie die Patienten zu Gesicht bekommt, leiden sie meist schon an einer chronischen Bronchitis oder einem Lungenemphysem, bedingt durch die Zerstörung des Lungengewebes. Vielfach werde von COPD ausgegangen und deshalb quasi an AAT vorbeitherapiert. „Die internationale Forderung lautet, dass bei jeder Person mit COPD zumindest einmal im Leben der Ausschluss eines AAT-Mangels erfolgt“, so Müller. Denn jeder 100. COPD-Patient hat einen AAT-Mangel. Trotzdem dauert es im Durchschnitt 6,2 Jahre bis zur richtigen Diagnosestellung. Sie selbst versucht die Kollegen im Rahmen von Fortbildungen für die Erkrankung zu sensibilisieren.

Lebenslange Therapie

Das ist deshalb wichtig, weil der Mangel an Alpha-1-Antitrypsin ein lebensnotwendiges Gleichgewicht im menschlichen Organismus zerstört, indem nicht nur Krankheitserreger abgewehrt, sondern auch Lungengewebe abgebaut wird. AAT neutralisiert die Wirkung des Abbauproteins und verhindert die Zerstörung des gesunden Lungengewebes. Ist dies bekannt, kann die fehlende Substanz per wöchentlicher Infusion zugeführt werden. Das bedeutet zwar lebenslange Therapie. „Unter Umständen erspart sich der Betroffene aber eine Transplantation“, betont Simona Müller den Nutzen.

Die ersten drei Infusionsgaben erfolgen im AAT-Zentrum, um bei möglichen allergischen Reaktionen eingreifen zu können. Danach führt der Hausarzt oder ein niedergelassener Lungenfacharzt die Therapie durch. Den Bluttest kann ebenfalls der Hausarzt durchführen. Bei Verdacht auf AAT-Mangel sollte die Zuweisung an das ATT-Zentrum im LKH Hohenems erfolgen. Dort wird nochmals Blut abgenommen und dieses an ein spezialisiertes Zentrum in Marburg geschickt, das die Typenbestimmung vornimmt. Der Patient durchläuft eine genaue Abklärung, was Lungenfunktion und eine mögliche Beteiligung der Leber betrifft. Aus allem zusammen leitet sich die Therapie ab. Eine Dosis des aus Blutplasma gesunder Menschen hergestellten Ersatzprodukts kostet rund 420 Euro. Bei entsprechender Indikation übernehmen die Sozialversicherungen die Kosten. Für die Lungenfachärztin ist eine frühe Diagnose noch aus anderen Gründen wichtig. „Sie erlaubt vorbeugende Maßnahmen wie Berufswahl, das Vermeiden von Nikotin und Alkohol sowie eine entsprechende Impf- und Bewegungsprophylaxe.“

Stichwort

AAT-Mangel. Das Krankheitsbild ähnelt einer COPD. Charakteristische Symptome sind Atemnot, chronischer Husten und verstärkter Auswurf. Das Leitsymptom von Alpha-1 ist Atemnot. Diese tritt zunächst vorwiegend bei körperlicher Belastung auf und betrifft in der Regel Menschen zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr. Im Laufe der Zeit wird die Lunge immer mehr geschädigt. Eine zweite, seltenere Form tritt bereits im Kindesalter auf und zeigt sich vor allem durch Symptome an der Leber wie Hepatitis oder Leberzirrhose.