Lebensenergie in die Mitte

Heilmittel aus der Natur sind gefragt, wollen aber richtig angewendet werden. Foto: Fotolia
Alternativmedizin befasst sich mit dem Menschen und dessen Krankheitsbild im Ganzen.
Dornbirn. (hp) Lebensenergie, Globuli, Potenzierung, Dynamisierung – Begriffe aus der Homöopathie, die der Gesundheitslehre ihren unverwechselbaren Charakter geben. Dabei steht bei der alternativen Behandlungsmethode der Mensch als Ganzes im Mittelpunkt. Krankheiten werden nach dem Prinzip „Ähnliches soll durch Ähnliches geheilt werden“ therapiert. Ein Interview mit der Dornbirner Allgemeinmedizinerin und Ärztin für klassische Homöopathie Dr. Gitte Nenning über Prinzip, Geduld, Anamnese, Behandlung und Wirkung.
Wie lautete Ihre Motivation, sich der Homöopathie zu widmen?
Nenning: Mich faszinierte von Beginn an, dass ich das, was die Menschen erzählen und anbieten, in der Therapie verwerten kann. Meist stehen dabei nicht so sehr die körperlichen Beschwerden im Vordergrund. Sein Wesen im Ganzen und das Verstehen des Homöopathen dafür geben den Ausschlag für die individuelle Behandlung.
Die Behandlung ist also geprägt von Individualität?
Nenning: Ja. Und gleichzeitig gilt bei der Therapie in der klassischen Homöopathie das Ähnlichkeitsprinzip. Ein Beispiel: Apis – das Bienengift, potenziert und dynamisiert – kommt unter anderem bei stark geschwollenen Entzündungen zum Einsatz, wie wir das von einem Bienenstich kennen. Aber nicht bei allen Patienten, sondern nur bei jenen, die im Wesen der Biene gleichen, also geschäftig, leicht nervös, unruhig sind.
Wesenszüge, die Sie im Erstgespräch erörtern?
Nenning: Genau. Im Zuge der Erstuntersuchung sprechen wir nicht nur über die auslösenden Beschwerden. In den rund zwei Stunden kommen Themen, wie Beruf, Hobbys, Lebensgewohnheiten, Ängste, Schwächen, Stärken und vieles mehr ins Gespräch. So ergibt sich aus einem großen Puzzle ein Ganzes, nämlich der Mensch als Gesamtkonzept.
Homöopathie – eine Behandlungsmethode, die auch als sanfte Methode bezeichnet wird?
Nenning: Sanft ist nicht der richtige Ausdruck. Im Verlaufe der Behandlung wird dem Patienten die große Bereitschaft abverlangt, sich auf den Prozess einzulassen, diesen konsequent mitzugehen, vorübergehend auch Verschlechterungen in Kauf zu nehmen und dabei nicht aufzugeben.
Der Geduldsfaktor ist also eine große Komponente?
Nenning: Jein. Es geht immer darum, wie groß das „Päckchen“ ist, das der Patient mitbringt. Je langwieriger und umfassender die Krankheitsgeschichte ist, desto länger kann der Heilungsprozess dauern. Ein Prozess, bei dem die Grundkraft gestärkt und die Lebensenergie wieder in die Mitte gebracht wird.
Und wie schaut es bei akuten Erkrankungen aus?
Nenning: Selbstverständlich können auch akute Beschwerden mit homöopathischen Arzneimitteln erfolgreich behandelt werden. Grundsätzlich jedoch gilt es zuerst abzuklären, wieso der Mensch krank wird. Und soll überhaupt behandelt werden oder kommt der Körper damit alleine klar. Bei akuten Beschwerden gibt es viel weniger Spielraum. Man muss sehr genau mit den Reaktionen arbeiten – sie können auch schnell gefährlich verlaufen.
Und vorbeugend – unter dem Motto „Ich kränkle, darf aber jetzt nicht krank werden, ich nehm‘ was . . .“
Nenning: Wir können unseren Körper nicht austricksen. Doping mit Homöopathie spielt sich nicht. Mit der regulierenden Methode der Homöopathie kann der Körper nicht aus der Reserve gelockt werden.
Gibt es im homöopathischen Sinne eine Hausapotheke?
Nenning: Nach meinem homöopathischen Verständnis gehört so eine Behandlung nicht in Hände von Laien. Gerade bei akuten Problemen gibt es sehr feine Unterschiede, die von kompetenter Seite individuell therapiert gehören. Auch gebe ich zu bedenken, dass wir die Heilungskräfte unseres Körpers mit klassischen Hausmitteln wie Tee oder Wickel unterstützen können. Manchmal scheint es, dass wir das Gefühl dafür verlieren, was gehört behandelt oder was einfach zum Leben. Ist es beispielsweise sinnvoll, bei einem geprellten Knie gleich zu Arnika-Globuli zu greifen?
Wir können auch akute Beschwerden erfolgreich behandeln.
gitte nenning
Stichwort
Homöopathie. Behandelt wird mit homöopathischen Arzneimitteln, die entweder aus pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Urtinkturen gewonnen werden. Die Grundsubstanzen werden anschließend wiederholt mit Wasser, Ethanol, destilliertem Wasser, Glycerin oder Milchzucker verschüttelt oder verrieben. Die Höhe der Verdünnung nennt man Potenzierung, die Verschüttelung oder Verreibung Dynamisierung. Das Ergebnis sind Globuli, alkoholische Lösungen oder Tabletten.