Ein „Schlägle“ kann zum Hochrisiko auswachsen

Gesund / 29.11.2013 • 11:43 Uhr
Die vielen Besucher bekamen interessante Vorträge zu hören.  Fotos: VN/Roland Paulitsch
Die vielen Besucher bekamen interessante Vorträge zu hören. Fotos: VN/Roland Paulitsch

Wissen um Symptome und Risikofaktoren bei Schlaganfall ist immer noch gering.

Wolfurt. (VN-mm) Er ist häufiger als der Herzinfarkt und die häufigste Ursache für eine bleibende körperliche Behinderung. Doch die Kenntnisse um Risikofaktoren und Symptome eines Schlaganfalls sind erschreckend gering. Laut einer Umfrage unter Betroffenen, die Primar Dr. Philipp Werner beim Mini Med Studium präsentierte, kannten 40 Prozent weder das eine noch das andere, bevor es passierte.

Für den Leiter des Instituts für Akutneurologie und Schlaganfall (IANS) im LKH Feldkirch eine „schlechte Sache“. Denn: „Ein Schlaganfall kann jeden immer und überall treffen und erfordert schnelles sowie richtiges Handeln.“ Umso wichtiger seien Öffentlichkeitskampagnen und Laienschulungen zu einer Erkrankung, bei der, so abgedroschen die Aussage auch klingen mag, im wahrsten Sinne des Wortes jede Minute zählt.

Fatales Verniedlichen

Dass die brisante Thematik in den Köpfen der Bevölkerung zumindest präsent ist, zeigte das enorme Besucherinteresse an der Mini-Med-Veranstaltung. Rund 500 Zuhörer, unter ihnen auch Gesundheitslandesrat Dr. Christian Bernhard, kamen in den Cubus nach Wolfurt, um den Vorträgen zu lauschen und danach intensiv mit den Ärzten zu diskutieren und Fragen an sie zu richten.

Dabei bekamen sie zu hören, dass auch „Streiferle“ oder „Schlägle“, wie leichte Schlaganfälle im Volksmund gerne verniedlichend bezeichnet werden, abgeklärt gehören. Warum? „Weil bei diesen Personen das Risiko, in den nächsten Tagen einen größeren Schlaganfall zu erleiden, gleich um das Zehnfache steigt“, wie Philipp Werner betonte.

Laut medizinischer Definition ist ein Schlaganfall eine „plötzlich auftretende Störung der Gehirnfunktion, einhergehend mit körperlichen Ausfällen, die mindestens 24 Stunden andauern“. Das Problem: 90 Prozent aller Schlaganfälle dauern weniger als 10 Minuten. Deshalb werden die Symptome oft nicht als solche erkannt oder einfach als lapidar abgetan. Ein fatales Verhalten, das pro Jahr in Österreich 25.000 Opfer fordert. Rund 70.000 Personen müssen mit mehr oder minder schweren Folgen eines Schlaganfalls leben. Statistisch gesehen kommt es alle 20 Minuten zu einem solchen Ereignis. Die meisten Betroffenen sind über 80 Jahre alt.

Notrufnummer 144

Das Gehirn selbst besteht aus Milliarden von Nervenzellen, die für ein optimales Funktionieren auf genügend Sauerstoff angewiesen sind. Kommt es aufgrund einer Gefäßverstopfung oder einer Hirnblutung („blutiger“ Schlaganfall) zu einem Sauerstoffmangel, sterben Zellen ab. Je länger ein solcher Vorfall in der Folge unbehandelt bleibt, umso beträchtlicher der Schaden. „Ein Schlaganfall ist immer ein Notfall“, lautete die klare Ansage von Primar Werner.

Dann gibt es nur eines: die Notrufnummer 144 wählen und mit der Rettung ab ins Krankenhaus. „Die ersten drei bis vier Stunden sind entscheidend“, so der Neurologe. Passiert innerhalb dieser Zeit nichts, kann sich ein kleiner Schlaganfall zu einem großen auswachsen. Schnell reagieren heißt es bei „schlagartig“ auftretenden Lähmungserscheinungen, Taubheitsgefühlen, Seh- oder Sprachstörungen, bei Schwindel sowie Gangunsicherheit.

Die Therapie besteht in der Öffnung des verstopften Blutgefäßes mittels extremer Blutverdünnung. „Diese Therapie kann jedoch nur in den ersten vier Stunden gemacht werden“, klärte Philipp Werner auf. Im anderen Fall gilt es, durch Reduktion von Risikofaktoren wenigstens weiteren Schlaganfällen vorzubeugen. Außerdem wird mit Reha-Maßnahmen begonnen. Dazu zählen Physio-, Ergo- und Sprachtherapie.

Lebensstil als Risiko

Beim Schlaganfall gibt es beeinflussbare und nicht beeinflussbare Gefahrenmomente. Nichts zu rütteln gibt es an Alter, Geschlecht und Genetik. Sehr wohl etwas machen lässt sich beim Lebensstil. Bewegungsmangel, Nikotin, Alkohol und Stress begünstigen Schlaganfälle ebenso wie Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht und ein zu hoher Cholesterinwert. Gleiches gilt für Herz-Rhythmusstörungen und Verengungen der Halsschlagader. Letztere sollte laut Primar Philipp Werner spätestens ab 60 regelmäßig per Ultraschall untersucht werden. Sein Wunsch wäre es, diesen Check in die Vorsorgeuntersuchung aufzunehmen. Es gehe aber nicht allein nur um die Behandlung von Risikofaktoren. „Es muss auch regelmäßig kontrolliert werden, ob die Therapien nützen“, lautete sein abschließender Appell an die Mini Med-Studenten.

Medizinerriege (v. l.): Gesundheitslandesrat Christian Bernhard, Primar Michael Küfner, Primar Richard Bauer und Primar Philipp Werner.
Medizinerriege (v. l.): Gesundheitslandesrat Christian Bernhard, Primar Michael Küfner, Primar Richard Bauer und Primar Philipp Werner.

Fakten

» 30 Prozent der Patienten benötigen allgemeine Hilfe

» 30 Prozent benötigen Unterstützung beim Gehen

» 35 Prozent der Patienten sind sprachgestört

» 15 Prozent sind von schwerer Langzeitinvalidität betroffen