Herz der älteren Frau schlägt anders
Neueste Erkenntnisse zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Seniorinnen.
Risikofaktor. Kardiovaskuläre Erkrankungen sind in der westlichen Welt seit Jahrzehnten die häufigste Todesursache und auch in Österreich der häufigste Anlass für Spitalsaufenthalte. Unverändert ist das Alter ein entscheidender Risikofaktor, wobei sich die klinische Symptomatik der Koronaren Herzkrankheit deutlich zwischen Männern und Frauen unterscheidet. „Diagnostik und therapeutisches Konzept müssen nicht nur genderspezifisch, sondern besonders bei der älteren Frau auch individuell abgestimmt werden. Darauf muss in Leitlinien verstärkt Rücksicht genommen werden“, betonte Univ.-Prof. Dr. Jeanette Strametz-Juranek, Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie an der MedUni Wien und Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates der Präventionsinitiative Zonta Golden Heart.
Mehr Komplikationen
Etwa 15 Prozent der Bevölkerung über 80 Jahren leiden unter Vorhofflimmern. Generell sind Männer häufiger betroffen als Frauen, allerdings ist die Rhythmusstörung bei älteren Frauen mit mehr Komplikationen assoziiert. So belegen schwedische Studien eine Schlaganfallsrate bei Frauen von 6,2 Prozent gegenüber Männern mit 4,2 Prozent. Das entspricht einer relativen Risikoerhöhung von 47 Prozent. Auch wenn Unterschiede in Basisvariablen wie höherem Lebensalter und häufigerer Hypertonie (Bluthochdruck) bei Frauen gemäß dieser Studie bestehen, bleibt der schlechtere Outcome für Frauen bestehen. Darüber hinaus werden Frauen signifikant weniger Medikamente zur Hemmung der Blutgerinnung verabreicht, dies kann wiederum mit der erhöhten Schlaganfall-Häufigkeit in Verbindung gebracht werden. „Wichtigstes Ziel in der Therapie von älteren Frauen bleibt also die Vermeidung von Komplikationen, besonders des Schlaganfalls, durch Gabe blutgerinnungshemmender Medikamente“, schilderte Primaria Univ.-Doz. Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer vom Kaiser-Franz-Josef-Spital Wien.
Depressionen behandeln
„Depression kann eine Koronare Herzkrankheit begleiten, aber auch eine Maske sein, hinter der sich eine Koronare Herzkrankheit verbirgt und umgekehrt“, erläuterte Univ.-Prof. Marianne Springer-Kremser von der Wiener Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie das Wechselverhältnis von Herzerkrankungen und Depressionen. Mögliche Ursachen von Depressionen können insbesondere Verluste im weiblichen Lebenzyklus sein. Emotionen und Bluthochdruck, eine häufige Begleiterkrankung von Koronaren Herzerkrankungen, sind oft eng miteinander verbunden. Eine Psychotherapie kann hier helfen, bei schwerer Depression in Kombination mit Psychopharmaka.
Inadäquate Medikamente
Aufgrund der steigenden Lebenserwartung, von Mehrfacherkrankungen und der evidenzbasierten Therapie ist die sogenannte Polypharmazie ein gravierendes Problem bei älteren Patienten. Vor allem Frauen ab 80 Jahren sind betroffen und schlucken häufig mehr als fünf verschiedene Medikamente pro Tag. „Frauen werden häufiger inadäquate Medikamente verschrieben, und sie leiden häufiger an unerwünschten Nebenwirkungen als Männer, da sie Arzneimittel anders verstoffwechseln und anders als Männer darauf reagieren“, erklärte Dr. Christina Hofer-Dückelmann, Klinische Pharmazeutin an der Apothekerkammer Niederösterreich. So komme es vermehrt zu Krankenhausaufenthalten aufgrund von unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die mit einer Einschränkung der Lebensqualität, erhöhten Kosten und Problemen mit der Akzeptanz einhergehen.
Die Zulassungsstudien für Arzneimittel würden normalerweise mit jüngeren Männern durchgeführt. Deshalb brauche es unbedingt Studien mit älteren, weiblichen Patientinnen, um die Unterschiede im Arzneimittelstoffwechsel und den Risiken zwischen Mann und Frau herauszuarbeiten.
Es braucht unbedingt Studien mit älteren Patientinnen.
Christina Hofer