„Kinder nicht alleine lassen“

Gesund / 07.02.2014 • 11:52 Uhr
Damit die Welt der Kinder nicht von heute auf morgen auf den Kopf gestellt wird, brauchen sie auch bei der Aufklärung eine Hand, die gefühlvoll führt.
Damit die Welt der Kinder nicht von heute auf morgen auf den Kopf gestellt wird, brauchen sie auch bei der Aufklärung eine Hand, die gefühlvoll führt.

Sexualaufklärung schon in Volksschulen wirft immer wieder besorgte Fragen auf.

feldkirch. (VN-mm) Ist es wirklich notwendig, schon im Volksschulalter mit der Sexualaufklärung zu beginnen? Wäre eine solche ab 14 Jahren nicht auch ausreichend? Was ist, wenn der Sexualunterricht mein noch sehr kindliches Kind verdirbt? Immer wieder ist Mag. Gudrun Posch-Berger mit solchen Fragen besorgter Eltern konfrontiert. „Sie sind berechtigt“, meint die Leiterin des Bereichs Jugend und Liebe im Ehe- und Familienzentrum.

Gleichzeitig kommen 70 Prozent der Anfragen nach sexualpädagogischen Workshops von Volksschulen. „Entscheidend ist, die Kinder nicht alleine zu lassen“, so Posch-Berger, die sich in dieser Thematik aber eine Zusammenarbeit zwischen Päd-agogen, Sexualpädagogen und den Eltern wünschen würde.

Vielfältige Aspekte

Aus ihrer sechsjährigen Tätigkeit weiß Gudrun Posch-Berger, dass das Sprechen über Sexualität, Erotik und Körperlichkeit vielen Eltern und Pädagoginnen bzw. Pädagogen immer noch schwerfällt. Andererseits bestreite heute kaum noch jemand die Bedeutung von Sexualität für die Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung von Kindern. „Wie Mädchen und Buben sie lernen sollen und was sie zeigen dürfen, wird trotzdem nach wie vor kontrovers diskutiert“, wundert sich Posch-Berger. Sie verweist darauf, dass Sexualität nicht nur mit Geschlechtsverkehr und Genitalität zu tun hat, sondern ebenso körperliche, biologische, psychosoziale und emotionale Aspekte umfasst. „Es gibt vielfältige Ausdrucksmöglichkeiten von Sexualität: Zärtlichkeit, Sinnlichkeit, Lust, Geborgenheit, Leidenschaft, Erotik, aber auch das Bedürfnis nach Fürsorge und Liebe“, erklärt die Expertin.

Dieser breiten Sicht stehe jedoch die einseitig genitalfixierte Sichtweise mancher Medien und der Sexualindustrie gegenüber. So verwundere es nicht, dass viele Menschen glauben, nur Handlungen, die mit Genitalität zu tun hätten, würden zur Sexualität gehören. Auch Kindern bleibt dieser Alltagsgebrauch von „Sex“ laut Berger-Posch nicht verborgen. Er zeigt sich demnach häufig in Äußerungen oder Rollenspielen zum Geschlechtsverkehr.

Begleitung und Orientierung

Mit dem Eintritt in die Volksschule beginnen viele Kinder, ihre eigene sexuelle Identität durch Abgrenzung von den anderen zu unterstreichen. Auch der Körper verändert sich sehr stark. Mit etwa 9 Jahren beginnt die Sexualität sich durch erste sexuelle Phantasien im Kopf der Kinder bemerkbar zu machen. „Mit den Eltern wird darüber kaum gesprochen, das wäre zu intim und peinlich.“ Dafür wecken einschlägige Witze, Bilder, Zeitschriften, Broschüren, Handy-Clips und Internetseiten die Neugier. „Jetzt brauchen die Kinder Begleitung und Orientierung. Deshalb ist es wichtig, ihre Fragen ernst zu nehmen und so kindgerecht wie möglich zu beantworten“, sagt Posch-Berger. Die sexualpädagogischen Workshops thematisieren die körperlichen und gefühlsmäßigen Veränderungen von Kindern im Alter zwischen 8 bis 10 Jahren. Es gilt, die Kinder dort abzuholen, wo sie sich in ihrer Entwicklung befinden, und da Antworten zu geben, wo auch Fragen sind.

Kinder stärken

Für das seelische Gleichgewicht von Kindern hat die Sexualität ebenfalls Bedeutung. Sie kann das Selbstwertgefühl stärken, viel Lebensfreude geben, insgesamt Freude am Körper vermitteln, aber auch Scham und Selbstzweifel nähren sowie Sprache der Trostlosigkeit oder Gewalt sein. „Wichtig ist, die Kinder in ihrer Selbstwahrnehmung zu stärken und zu bestätigen. Wenn ein Kind es nicht als angenehm empfindet oder ablehnt, von einer bestimmten Person angegriffen zu werden, dann ist es gut so. Das Kind soll und muss lernen, dies deutlich zu sagen und zu zeigen“, betont Gudrun Posch-Berger.

Auch solche Handlungen werden in den angebotenen sexualpädagogischen Workshops in spielerischer Form aufgezeigt und eingeübt.