„Zeit spielt eine bedeutende Rolle“

Ausgeschlagene Zähne brauchen schnellstens die entsprechende Behandlung.
Dornbirn. Sechs von zehn Österreichern erleiden im Laufe ihres Lebens eine Verletzung der Frontzähne durch Schläge, Stöße oder Stürze. Der Chefzahnarzt der Vorarlberger Gebietskrankenkasse, Primar Dr. Michael Grobner, erklärt Zahntraumen und deren Behandlungsmöglichkeiten.
Was passiert, wenn ein Zahn an- oder ausgeschlagen wird?
Grobner: Wir sprechen dann von einem Zahntrauma. Das ist die Verletzung von Zähnen durch Schläge, Stöße oder Stürze, wobei in erster Linie die Eck- und Schneidezähne im Oberkiefer betroffen sind. Die Folgen reichen von Brüchen der Zahnkrone oder Zahnwurzel über Verletzungen, die mit einer Verlagerung des Zahns einhergehen, bis hin zum kompletten Verlust eines Zahns.
Was ist in so einem Fall zu tun?
Grobner: Bei der Behandlung eines Zahntraumas spielt die Zeit eine große Rolle. Je schneller das Zahntrauma behandelt werden kann, desto höher ist die Chance auf Erhalt und Reparatur des betroffenen Zahns. Die Zellen an der Wurzeloberfläche eines Zahns sterben unversorgt nach 30 Minuten ab, und der Zahn ist unwiderruflich verloren.
Man sollte also möglichst schnell zum Zahnarzt. Was macht man mit den abgebrochenen Zahnteilen?
Grobner: Eine ganz wesentliche Sache war mit Sicherheit die Entwicklung und Einführung der sogenannten Zahnrettungsbox. Da vorwiegend Kinder und Jugendliche solche Schäden erleiden, sollte in allen Krankenhäusern, Kindergärten, Schulen, Sportstätten, Schwimmbädern usw. eine solche vorhanden sein. Wenn man Kinder hat, ist die Box auch für zu Hause und für den Urlaub zu empfehlen. Erhältlich ist sie in allen Apotheken.
Warum ist diese „Dose“ eigentlich so wichtig?
Grobner: Die Zahnrettungsbox ist ein Fläschchen mit einer Zellnährlösung, die einen Zahn für 36 bis 48 Stunden konserviert. Damit gewinnt man wertvolle Zeit, und der Zahn lässt sich wieder einsetzen. Wir sagen dazu „reimplantieren“. Die Reimplantation ist insofern wichtig, weil eine definitive Versorgung im Kinder- und Jugendalter bei Zahnverlust wegen des nicht abgeschlossenen Kieferwachstums nicht möglich ist. Das Kieferwachstum im vorderen Bereich des Oberkiefers ist erst mit etwa 25 bis 30 Jahren abgeschlossen.
Der Zahnarzt kann also auch einen ausgebrochenen Zahn wieder einsetzen?
Grobner: Zahnärzte sind praktisch ständig mit Zahntraumen konfrontiert, und je nach Schweregrad der Verletzung bleibt oftmals sehr wenig Zeit, um in einem solchen Fall das Richtige zu tun. Dazu kommt, dass Zahnverletzungen äußerst komplexe Verletzungen sind, weil unterschiedliche Gewebe betroffen sein können, zum Beispiel die Zahnhartsubstanz, das Zahnfleisch, Zahnbett und Zahnnerv oder auch Knochen. Je nachdem, um welches Gewebe es sich handelt, gestaltet sich die Behandlung anders. Es gilt, die Systematik im Kopf zu haben, damit wirklich gesehen wird, was tatsächlich betroffen ist.
Ist diese Voraussetzung bei jedem Zahnarzt gegeben?
Grobner: Wir haben dazu unlängst für die Ärzte und Assistentinnen der Zahnambulatorien einen Experten aus der Schweiz zu einer Fortbildungsveranstaltung geholt. Prof. Dr. Andreas Filippi ist Leiter des Zahnunfallzentrums der Universität Basel, einer hochspezialisierten Klinik für Zahntraumen. Er konnte mit seiner Expertise unseren Ärzten zahlreiche Tipps und neue wissenschaftliche Erkenntnisse für die Behandlung von Zahntraumen mitgeben.
