Chance auf längeres Überleben

Gesund / 30.10.2014 • 13:02 Uhr
Als Einführung gab OA Michael Neyer einen Einblick in die Funktion der Nieren. Fotos: VN/Steurer
Als Einführung gab OA Michael Neyer einen Einblick in die Funktion der Nieren. Fotos: VN/Steurer

Neue Medikamente wirken auch bei Nierentumoren mit Metastasierungen. 

Feldkirch. (VN-mm) Noch vor zehn Jahren hatten Patienten mit einem metastasierten Nierentumor keinerlei Überlebenschancen. Maximal zwölf bis 13 Monate blieben ihnen noch nach Diagnosestellung. Heute sieht die Welt deutlich besser aus. Neue Medikamente sichern auch diesen Menschen ein deutlich längeres Überleben bei guter Qualität. Mit dieser durchaus erfreulichen Botschaft konnten Primar Andreas Reissigl und OA Michael Neyer von der Urologie des LKH Bregenz beim Mini Med Studium aufwarten. Ein aktives Nebenwirkungsmanagement mit konkreten Vorschlägen zur Vorbeugung von Nebenwirkungen erleichtert Betroffenen den Umgang mit dieser Erkrankung.

Späte Diagnose

Nierentumore werden immer häufiger. Schon rund vier Prozent aller Krebsneuerkrankungen entfallen auf Nierenzellenkarzinome. Die Tendenz ist steigend. Gründe sind die Früherkennung durch Vorsorgeuntersuchungen, ein ungesunder Lebensstil sowie das Alter. „In 95 Prozent der Fälle kommt es zu spontanen Genveränderungen, nur wenige Fälle sind erblich bedingt“, erklärte Michael Neyer. Fatal am Nierentumor ist, dass sich Symptome erst spät zeigen. Schon 20 Prozent der Patienten weisen bei der Erstdiagnose Metastasen auf. Diese siedeln sich vornehmlich in Leber, Lunge, Gehirn und den Knochen ab. „Es gibt keinen Marker im Blut, der ein Nierenkarzinom anzeigt. Aufschluss können Harn- und Ultraschalluntersuchungen geben“, sagte Primar Andreas Reissigl. Oft handelt es sich bei Nierentumoren jedoch um Zufallsbefunde.

Warnhinweise sind, so die Urologen, Blut im Harn, Druck- und Spannungsgefühle in der Flanke, unklares Schwitzen und Fieber sowie ein ungewöhnlicher Gewichtsverlust. Dann ist eine ärztliche Abklärung dringend angezeigt. Bei entsprechendem Verdacht erfolgt die Diagnostik mittels Ultraschall, vor allem dabei lassen sich viele Tumore im Frühstadium entdecken, Computertomografie (CT) und Magnet-resonanztomografie (MRT). Weitere Optionen sind Nierenfunktionstests und eine Biopsie, also eine Gewebeentnahme. Kleinste Tumore müssen laut Reissigl nicht immer operativ entfernt werden. Mitunter reicht es, sie zu beobachten.

Knopflochchirurgie

Bei größeren Tumoren ist immer deren Entfernung die Therapie erster Wahl. Mitunter muss die ganze Niere herausgenommen werden. Solche Eingriffe erfolgen im LKH Bregenz fast ausnahmslos laparoskopisch. Die Vorteile der Knopflochchirurgie, wie diese OP-Form noch genannt wird, liegen für Primar Reissigl auf der Hand: „Es braucht nur kleine Schnitte, es sind weniger Schmerzmittel nötig, die Aufenthaltsdauer im Spital verkürzt sich, und die onkologischen Ergebnisse sind gleich gut wie bei einer offenen OP.“ Ebenso von Vorteil sei die Laparoskopie bei fettleibigen Patienten, hieß es. Und zur Verdeutlichung der Häufigkeit: Im LKH Bregenz kommt pro Woche mindestens ein Betroffener mit Nierentumor unters Messer.

Ambulante Behandlung

Seit die Medizin über neue Medikamente verfügt, sind auch bösartige Nierentumore mit Absiedelungen im Rahmen einer interdisziplinären Zusammenarbeit gut behandelbar. Zuerst werden die Metastasen entfernt, dann kommt eine zielgerichtete medikamentöse Therapie zum Einsatz. Zumeist handelt es sich um Tabletten, selten um intravenöse Gaben. „Der Patient wird für einige Tage stationär aufgenommen, um auf Nebenwirkungen sofort reagieren zu können, dann ambulant weiterbehandelt“, erläuterte Michael Neyer das Vorgehen. Die Medikamente wirken, indem sie die Blutzufuhr zu den Tumorzellen unterbinden sowie die Wachstumssignale des Tumors blockieren. Allerdings kann eine jahrelange Therapie zu Resistenzen führen.

Schwierig ist es außerdem, unter den verfügbaren Medikamenten jenes Präparat zu finden, das am meisten Erfolg verspricht. Um den Ärzten die Entscheidung zu erleichtern, werden die Patienten in Prognosegruppen eingeteilt, wobei die Höhe der Tumorlast und vorliegende Begleiterkrankungen bei der Einstufung eine wesentliche Rolle spielen. „Jeder Patient erhält damit individuell das Medikament, das ihm am längsten hilft“, berichtete Neyer aus der Praxis. Ergänzt wird die Medikamenten-Therapie durch Schmerztherapie und Knochenschutz. „Auch die Zusammenarbeit mit dem betreuenden Hausarzt ist uns wichtig“, betonte Michael Neyer.

Derzeit sind weitere Medikamente zur Behandlung von Nierenkrebs in Erprobung, vor allem solche, die das Immunsystem unterstützen.

Oft handelt es sich bei Nierentumoren um Zufallsbefunde.

Andreas Reissigl

Publikumsfragen

Wenn Medikamente intravenös verabreicht werden, handelt es sich dann um eine Art Chemotherapie?

Neyer: Nein, denn die Medikamente haben völlig andere Wirkungsansätze und auch ein anderes Nebenwirkungsspektrum. 

Warum kommt es beim
Nierenkrebs zu Metastasen
in den Knochen?

Neyer: Über das Blut werden kleinste Tumorzellen aus- und in die Knochen geschwemmt. Tumorzellen benötigen ein bestimmtes Milieu. Offenbar fühlen
sie sich im Knochenmilieu wohl.

Bei welchen Symptomen soll ich zum Hausarzt und bei welchen zum Facharzt?

Neyer: Erste Anlaufstelle bei Symptomen jeglicher Art sollte der Hausarzt sein. Er leitet den Patienten dann entsprechend zielgerichtet weiter.

Wenn nur noch eine Niere da ist, kann das Bluthochdruck verursachen?

Reissigl: Ja, das kann zu diesem Problem führen, wenn die Blutzufuhr zu dieser Niere geschädigt ist.

Wie kommt es zu einem Nierenabszess?

Reissigl: Ein Abszess ist eine Reaktion des Körpers auf eine Entzündung. Im Fall der Niere liegt meist eine Nierenbeckenentzündung vor. Falsch oder gar nicht behandelt kann ein Nierenabszess sogar zum Tod führen. Im Normalfall ist eine Behandlung mit Antibiotika ausreichend. Ist der Abszess größer, muss er chirurgisch entfernt werden.

Was ist, wenn die Nieren zu viel Eiweiß ausscheiden?

Neyer: Das ist zwar ein nephrologisches und kein urologisches Thema, aber diese Sache sollte unbedingt ärztlich abgeklärt werden. Es kann harmlos sein und nur ein Infektion dahinterstecken, oder aber mehr.