Marlies Mohr

Kommentar

Marlies Mohr

Rückschritt ins Leben

Gesund / 07.11.2014 • 09:53 Uhr

Seine Stimme ist brüchig. Für lange Gespräche fehlt dem Mann noch die Kraft. Und doch möchte er etwas sagen, etwas, das viele von uns lieber beiseiteschieben. Er möchte über das Leben und den Tod reden, darüber, wie wichtig Gespräche vorher sind. Diesem Bedürfnis liegt ein einschneidendes Erlebnis zugrunde.

Der Mann musste ins Spital. Sein Zustand: schlecht. Auf dem Weg ins Zimmer hörte er die Ärztin sagen: „Wir werden Sie schmerzfrei begleiten.“ Nur, wohin begleiten? War es das, was er vermutete? Aber dahin wollte er noch gar nicht. Zu schwach, um sich selbst zu äußern, blieb ihm nichts anderes, als darauf zu vertrauen, dass sich seine Frau für eine Weiterbehandlung einsetzte. Sie tat es, und er kam wieder auf die Beine. Dafür ist er dankbar, seiner Familie, den Ärzten.

Doch das Erlebnis prägte. Er will nicht mehr ungefragt auf die Reise geschickt werden. „Für die Zukunft wünsche ich mir ein offenes Wort, wenn die Zeit gekommen ist. Dann kann ich auch richtig Abschied nehmen und Dinge, die noch offen sind, bereden.“ Es ist eine deutliche Ansage an eine Gesellschaft, die ihre Kommunikation längst auf die technische Ebene ausgelagert hat. Das spart Zeit, oft auch die Auseinandersetzung mit unliebsamen Themen. Wir sollten wohl wieder einen Schritt zurückmachen, zurück ins Leben. Es wäre gewiss kein Rückschritt.

marlies.mohr@vorarlbergernachrichten.at