Hans Concin

Kommentar

Hans Concin

Kommt die Amme wieder?

Gesund / 24.07.2015 • 12:11 Uhr

Neue Studien mit dem Einsatz von Gentechnologie und Langzeitbeobachtungen belegen, dass Stillen, mehr als schon bisher bekannt, für die Mutter als auch das Kind große gesundheitliche Langzeitvorteile hat. Im Wesentlichen weiß man, dass Muttermilch alle Bestandteile enthält, die das Kind für seine optimale Entwicklung und sein Wachstum benötigt. Muttermilch enthält auch Antikörper, die helfen, Krankheiten vorzubeugen (Allergien, Magenprobleme, Infektionen besonders der Lunge und Ohren). Gestillte Kinder haben eine geringere Wahrscheinlichkeit, übergewichtig zu werden, eine Zuckerkrankheit zu entwickeln und sie haben weniger Zahnfehlstellungen. Auch vom extrem seltenen Schicksalsschlag des plötzlichen Säuglingstodes sind gestillte Kinder weniger betroffen. Das Brust- und Eierstockkrebs-Risiko und manche andere Erkrankungen werden für Stillende reduziert. Mütter, die stillen, nehmen nach der Schwangerschaft ihr Gewicht leichter ab. Alle diese Fakten gelten für große Vergleichsgruppen, im Einzelfall kann das auch anders sein.

Was sind die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse? Drei Studien möchte ich hervorheben: Muttermilch ist nicht steril. Dieser Mythos wurde erst in den vergangenen Jahren von der Wissenschaft widerlegt: Bis zu 700 unterschiedliche Bakterien, vorwiegend aus dem Darm der Mutter, gelangen über Wege im Körper in die Muttermilch und bewirken einen günstigen Einfluss auf die Entwicklung des kindlichen Immunsystems. Die bakterielle Vielfalt im Darm ist nicht nur für uns alle, auch für die Gesundheit gestillter Kinder von zusätzlicher Bedeutung. Daher sollten besonders Schwangere genügend Kontakt mit harmlosen Bakterien haben, etwa auf einem Bauernhof, in einem Pferdestall oder mit einem Hund.

Eine brasilianische Studie mit knapp 6000 im Jahr 1982 geborenen Kindern findet 30 Jahre später, dass gestillte Kinder durchschnittlich intelligenter sind und mehr verdienen. Die Autoren haben versucht, alle möglichen Einflussfaktoren zu berücksichtigen und verteidigen ihre Ergebnisse gegen Kritik. Ich finde, es ist gut, dass wir diese Studie haben, derzeit gibt es (noch) keine besseren Daten. Die dritte Studie zeigt, dass die Arterienwanddicke von Müttern, die gestillt haben, dem Durchschnitt von fünf Jahre jüngeren Frauen entspricht.

Diese neuen Erkenntnisse haben besonders in den USA das Thema Muttermilchspende, Muttermilchbanken (auch Geschäft mit Muttermilch) und Amme aktualisiert und Initiativen ausgelöst. Nicht alle Mütter dürfen oder können stillen. Für deren Kinder, vor allem Frühgeburten und kranke Neugeborene bieten sich unter medizinischer Kontrolle und Unterstützung Alternativen an.

Wir spenden heute alles. Warum nicht auch Muttermilch?

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Prim. a. D. Dr. Hans Concin, Präsident aks Verein