Motoren einer Krebstherapie – wie wichtig Zusammenarbeit ist

MedKonkret: Zusammenarbeit der Disziplinen beeinflusst auch den Heilungserfolg.
feldkirch Die Medizin ist in all ihren Facetten ein spannendes Feld. Das zeigte sich einmal mehr beim MedKonkret-Vortrag zum etwas sperrig wirkenden Begriff „Interdisziplinarität“. In diesem Fall ging es um die Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen in der Krebsbehandlung. Was im ersten Moment eine trockene Sache vermuten ließ, wurde zu einer höchst spannenden Angelegenheit. Der Onkologe, Primar Holger Rumpold (Interne II), sowie Primar Ingmar Königsrainer (Abteilung für Chirurgie) verstanden es, die Komplexität der Interdisziplinarität verständlich darzulegen. Vor allem aber wussten sie damit zu überzeugen, dass diese Kooperationen im Landeskrankenhaus Feldkirch und darüber hinaus tatsächlich gelebt werden. „Es muss passieren, weil es auch für den Heilungserfolg der Patienten entscheidend ist“, betonte Königsrainer. Holger Rumpold ergänzte: „Sämtliche die Behandlung betreffenden Informationen müssen im Betreuersystem erhalten bleiben.“ Das zu bewerkstelligen bezeichnete der Onkologe als besondere Herausforderung, zumal die beteiligten medizinischen Fächer in sich schon dynamisch sind. Das mache die Aufrechterhaltung des Informationsflusses zuweilen schwierig.
Gemeinsame Basis
Die Motoren der Interdisziplinarität sind Behandlungsleitlinien, die Tumordokumentation sowie Tumorkonferenzen oder Tumorboards, wie sie im Fachjargon genannt werden. Dabei setzen sich alle Disziplinen, die mit Krebspatienten zu tun haben, regelmäßig an einen Tisch, um die Fälle zu besprechen. Holger Rumpold sprach von fünf Tumorkonferenzen pro Woche. Einmal im Jahr werden zudem die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammengeführt und auf den eigenen Bedarf abgestimmt, um eine gemeinsame Basis zu schaffen. „Wir werten auch regelmäßig aus, was wir mit der aktuellen Behandlung erreichen. Ist etwas zu ändern, fließt das sofort in die Behandlungsleitlinien“, erklärte Rumpold. Das ermögliche ein effektives Arbeiten im Sinne des Patientenwohls.
Ingmar Königsrainer erläuterte anhand von zwei Beispielen, wie wichtig Erfahrung, aber auch Infrastruktur sind, um das Bestmögliche für Betroffene herauszuholen. Selbst als inoperabel geltende Tumore, wie sie Königsrainer häufig unter dem Messer hat, können mit der entsprechenden Expertise erfolgreich therapiert werden. Eine Rolle spielen dabei auch die Fallzahlen. Je höher diese sind, umso höher die Qualität der Eingriffe. Deshalb dürfen gewisse Operationen nur an bestimmten Krankenhäusern durchgeführt werden. Das sei gesetzlich festgeschrieben, bedeute also keine Abwertung anderer Spitäler. „Kollektives Wissen entsteht durch Fallzahlen“, merkte Holger Rumpold mit Nachdruck an. Er erwähnte auch die Spitalsapotheken als wichtige Partner, die dafür sorgen, dass die teuren Substanzen richtig zubereitet werden.
Im Durchschnitt vergehen 15 Werktage von der Diagnose eines Tumors bis zum ersten Therapieschritt. „Für jeden Patienten ist das eine belastende Zeit“, bestätigten die erfahrenen Ärzte. Schnelles Handeln wird zwar angestrebt, doch nicht um jeden Preis. Ebenso gehe es im Sinne optimaler Ergebnisse um sorgfältiges Handeln.
Die Sinnhaftigkeit der Zusammenarbeit liegt für die Mediziner indes klar auf der Hand. Das bedeute aber auch, als Behandler etwas hergeben zu können, wenn andere Kollegen etwas besser beherrschen, räumte Ingmar Königsrainer zum Abschluss noch ein.
Fragen aus dem Publikum
Als Sonderklassepatient bekommt man die besten Ärzte. Gilt das für „normale“ Patienten auch?
Königsrainer Unser Ziel ist es, jeden Patienten optimal zu versorgen. Deshalb bekommt auch jeder Patient den besten Operateur.
Rumpold Auf meiner Abteilung sind die Oberärzte nach Fachschwerpunkten eingeteilt. Also egal, ob Privatpatient oder Normalpatient, er bekommt den versiertesten Arzt zugewiesen.
Wie sieht es mit der Zusammenarbeit des LKH Feldkirch mit dem Krankenhaus Dornbirn aus?
Rumpold Sie unterscheidet sich in keiner Weise zu jenen der Landeskrankenhäuser, sie gestaltet sich nur etwas komplizierter, weil der Träger ein anderer ist. Aber auch Dornbirn ist regelmäßig beim Tumorboard dabei.
Es gibt im Land zwei Brustgesundheitszentren. Trotzdem werden auch im LKH Bregenz bei Brustkrebs Operationen durchgeführt. Warum ist das so?
Rumpold Dazu ist zu sagen, dass 95 Prozent der Brustkrebserkrankungen in den Zentren in Dornbirn und Feldkirch behandelt werden. Das LKH Bregenz ist seit zwei Jahren angegliedert. Wir führen wöchentlich eine Tumorkonferenz durch.
Weiß man inzwischen, warum Zellen verrückt spielen, und was kann man sich in nächster Zeit an Fortschritten in der Behandlung erwarten?
Rumpold Es handelt sich dabei um genetische Mutationen. Das heißt, die genetische Prägung einer Zelle wird durch Zufall umgebaut. Die Behandlungsmöglichkeiten erweitern sich stets, vor allem in der Immunologie und Molekularbiologie liegen große Hoffnungen. Es geht jedoch auch darum, Krebs schon im Vorfeld etwa durch Lebensstilmaßnahmen zu verhindern. Das gelingt nicht immer, aber jeder sollte sich entsprechend Gedanken dazu machen.
Gibt es in Vorarlberg eine Nachsorgestelle für Krebspatienten?
Königsrainer Unsere Patienten werden durch die Abteilung nachbetreut. Eine Nachsorge ist ebenso durch den niedergelassenen Arzt möglich.
Sie sagen, bei Krebs handelt es sich um genetische Mutationen. Ist er also nicht erblich bedingt?
Rumpold Fünf Prozent der Krebserkrankungen sind familiär genetisch bedingt. Deshalb wird bei einer Anamnese immer auch eine mögliche familiäre Belastung abgefragt. Der größte Teil, also 95 Prozent, entsteht durch Mutationen in der Zelle.
Gibt es bei Krebs so etwas wie Heilung?
Rumpold Heilung ist in der Onkologie insgesamt ein schwieriger Begriff. Wir sehen das als Größe der Zeit. Wenn beispielsweise jemand fünf oder zehn Jahre überlebt, gilt er aus onkologischer Sicht als geheilt, wobei die Zeitspanne immer auch von der Krebsart abhängig ist.
Lässt sich Krebs durch Einfrieren heilen?
Rumpold Das gibt es, dabei handelt es sich um die sogenannte Kryoablation. Es wird mit Kälte gegen den Tumor vorgegangen.
Wo liegt für Ärzte das größte Risiko bei der Interdisziplinarität?
Rumpold Es muss auf beiden Seiten Leute geben, die sich auskennen, sich regelmäßig treffen und ihre Maßnahmen abstimmen. Das ist das Wichtigste, sonst funktioniert es nicht.
Hat nicht auch der Patient eine Verantwortung?
Königsrainer Ja, er hat eine gewisse Verantwortung, bei der Behandlung mitzuhelfen. Es ist auch unsere Aufgabe, ihn immer wieder zu motivieren, weiterzukämpfen.