Wenn Kalorien eine Rolle spielen

Gesund / 23.08.2019 • 11:42 Uhr
Patrick Clemens hat es sich zum Ziel gesetzt, die Ernährungstherapie auf neue Beine zu stellen.khbg, Nussbaumer
Patrick Clemens hat es sich zum Ziel gesetzt, die Ernährungstherapie auf neue Beine zu stellen.khbg, Nussbaumer

Im LKH Feldkirch sorgt sich ein interdisziplinäres Ernährungsteam um die Patienten.

Feldkirch Diese Daten geben zu denken. Etwa 70 bis 80 Prozent der onkologischen Patienten in den Spitälern sind mangelernährt. Im chirurgischen Bereich liegt ihr Anteil immerhin noch bei 50 bis 60 Prozent. „Mangelernährung ist ein großes Thema in den Krankenhäusern“, bestätigt OA Patrick Clemens von der Radioonkologie im Landeskrankenhaus Feldkirch. Er selbst zeigt sich seit Langem daran interessiert. Im Frühjahr organisierte Clemens einen Ernährungskongress in Bregenz, er hat inzwischen das Diplom für Ernährungsmedizin in der Tasche und leitet jetzt neu das Ernährungsteam im LKH Feldkirch. Großen Wert legt er dabei auf die Interdisziplinarität. „Jeder Bereich spielt eine wichtige Rolle für die Patienten“, begründet Patrick Clemens. Deshalb sind Ärzte, Physiotherapeuten, Diätologinnen sowie Mitarbeiter aus der Pflege involviert. „Ziel ist es, die Ernährungstherapie in der Behandlung von Patienten gut zu verankern, weil sie das Überleben und die Lebensqualität verbessert“, erklärt Clemens.

Weniger Komplikationen

Untermauert werden diese Aussagen von einer aktuellen Studie der Universität Basel und des Kantonsspitals Aarau, die jüngst die Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlichte. Dort heißt es unter anderem: Durch eine individualisierte Ernährung nehmen Spitalspatienten nicht nur mehr Proteine und Kalorien zu sich, sondern es verbessern sich auch die klinischen Ergebnisse der Behandlung. Bislang fehlten aussagekräftige Studien, deshalb war unklar, ob sich ein individuelles Ernährungsmanagement bei kranken Patienten wirklich positiv auswirkt. In einer klinischen Studie mit über 2000 Patientinnen und Patienten in acht Schweizer Spitälern haben Forscher den Nutzen einer Ernährungsunterstützung erstmals in einer randomisierten, kontrollierten Studie überprüft. Nach 30 Tagen zeigte sich, dass sich durch eine individualisierte Ernährung auch die Behandlungsergebnisse verbesserten. So traten im Vergleich weniger schwere Komplikationen auf, und die Sterblichkeit ging zurück. Laut dem Studienleiter, Prof. Philipp Schütz vom Kantonsspital Aarau, ist diese Studie für die Behandlung von polymorbiden Spitalspatienten von großer Relevanz und dürfte die Bedeutung der Ernährungstherapie bei Risikopatienten stärken.

Strukturen und Standards

Das sieht auch Patrick Clemens so. „Diese Daten sind enorm wichtig“, unterstreicht der Arzt. Er selbst möchte Strukturen und Standards schaffen, die helfen, eine Mangelernährung besser zu erkennen. Ihm schwebt in diesem Zusammenhang ein Screening vor, mit dem alle ins Krankenhaus eingewiesenen Patienten erfasst werden könnten. Das zu realisieren hänge allerdings von den personellen Ressourcen ab. In der Onkologie ist ein solches Screening hingegen schon Standard. Anhand von drei bis vier Fragen lässt sich der Ernährungsstatus eines Patienten erheben. Die Überlegung geht nun dahin, wie sich diese Methode mit den anderen Abteilungen verknüpfen lässt. Patrick Clemens spricht von einer hohen Motivation aller Beteiligten. „Das Echo auf die Pläne ist sehr gut.“ Etwa 15 bis 20 Personen arbeiten im Team, dazu gibt es Projektgruppen, die über Online-Tools miteinander in Verbindung stehen. Außerdem soll es jährlich drei Sitzungen geben, bei denen sich alle treffen und die nun sogar während der Dienstzeit abgehalten werden dürfen. VN-MM

In der Physiotherapie ist die Verbesserung der Leistungsfähigkeit unserer Patienten ein wichtiges Ziel. Um Leistung zu erbringen, braucht der Körper ausreichend energiereiche und proteinreiche Nahrung. Das Ernährungsteam sorgt für eine optimale Substitution unserer Patienten. Markus Breuss, leitender Physiotherapeut

In der Physiotherapie ist die Verbesserung der Leistungsfähigkeit unserer Patienten ein wichtiges Ziel. Um Leistung zu erbringen, braucht der Körper ausreichend energiereiche und proteinreiche Nahrung. Das Ernährungsteam sorgt für eine optimale Substitution unserer Patienten. Markus Breuss, leitender Physiotherapeut

Ich bin froh, dass das Ernährungsthema wieder forciert wird und es eindeutige Daten dazu gibt. Es geht ja nicht nur um die Patienten, die profitieren. Auch die Kosten lassen sich durch eine angepasste Ernährungstherapie senken. Es braucht weniger Chemotherapien, und es gibt weniger Abbrüche. Maria Wetzinger, Diätologin.

Ich bin froh, dass das Ernährungsthema wieder forciert wird und es eindeutige Daten dazu gibt. Es geht ja nicht nur um die Patienten, die profitieren. Auch die Kosten lassen sich durch eine angepasste Ernährungstherapie senken. Es braucht weniger Chemotherapien, und es gibt weniger Abbrüche. Maria Wetzinger, Diätologin.

Kranke und pflegebedürftige Menschen können sich selbst oft nicht angemessen ernähren und benötigen daher Unterstützung. Dafür braucht es eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegenden, Diätologinnen, Krankenhausapothekern und Physiotherapeuten. Michael Scheffknecht, Pflegedirektor

Kranke und pflegebedürftige Menschen können sich selbst oft nicht angemessen ernähren und benötigen daher Unterstützung. Dafür braucht es eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegenden, Diätologinnen, Krankenhausapothekern und Physiotherapeuten. Michael Scheffknecht, Pflegedirektor