Der lange Weg zurück

Eine Traumatherapie setzt sich aus mehreren Abschnitten zusammen.
NENZING Susanne Westreicher ist ein ganzheitlicher Zugang zum Menschen in ihrem Fachgebiet Psychiatrie wichtig. In der Akutpsychiatrie war sie oft mit Menschen konfrontiert, die traumatische Erlebnisse zu verarbeiten hatten. Für den Spezialbereich Psychotraumatherapie hat sie eine Ausbildung am Zentrum für Psychotraumatherapie in Wien absolviert.
Was bedeutet psychische Traumatisierung?
WESTREICHER Unter einem psychischen Trauma ist eine verzögerte Reaktion auf ein sehr belastendes Ereignis oder eine Situation von außerordentlicher Bedrohung zu verstehen. Ein traumatisches Ereignis kann zu einer Überstimulierung der Reize führen, welche die funktionierenden Bewältigungsstrategien überfordern. Die Bewältigungsmuster, die bei Auftreten von Gefahren aktiviert werden, funktionieren nicht mehr ausreichend, und die Betroffenen fühlen sich hilflos. Diese Auswirkungen werden als posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bezeichnet.
Wie äußert sich eine solche Belastungsstörung?
WESTREICHER Die Symptome, die Betroffene wahrnehmen, sind vielfältig. Sie können sich unter anderem in Ängsten, Flashbacks, Hilflosigkeit, Kontrollverlust, Albträumen, dem Wiederleben des Traumas, in sozialem Rückzug, in Suchtmittelkonsum und in Depressionen äußern. Bekannt wurde hat PTBS vor allem durch die mediale Berichterstattung über traumatisierte US-Kriegsveteranen im Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg.
Wodurch kann ein Trauma verursacht werden?
WESTREICHER Ein Trauma kann verschiedene Gründe haben: ein Unfall, ein Kriegsereignis, Folter, Terroranschläge, der plötzliche Tod eines geliebten Menschen oder ein sexueller Übergriff, um nur einige Beispiele zu nennen. Ein Faktor kann auch ein sogenanntes Bindungstrauma sein, das in frühester Kindheit erlebt wurde. Oftmals werden diese Symptome als Einzelphänomene wahrgenommen, für die Betroffenen ist es manchmal eine Erleichterung, wenn bei ihnen eine PTBS diagnostiziert wird und sie damit die Möglichkeit erhalten, dem gezielt entgegenzuwirken.
Gibt es für die Behandlung eines Traumas überhaupt erfolgreiche Lösungsansätze?
WESTREICHER Ein sehr bedeutender erster Schritt ist das Erkennen des Problems und ein zweiter, ebenfalls wichtiger, sich kompetente Hilfe zu holen. Wichtig für jeden Einzelnen ist, die Symptome, welche man in sich spürt, zuordnen und verstehen zu lernen, Gefühle benennen zu können und die Ohnmacht, die viele in sich spüren, aufzulösen.
Kann ein Trauma überhaupt aufgelöst werden oder kann man nur lernen, damit zu leben?
WESTREICHER Eine Traumatisierung kann nicht einfach mit ein paar Psychotherapie-Stunden aufgelöst werden, das ist klar. Oft ist damit sogar ein sehr langer Weg verbunden. Ziel dieses Weges ist, die traumatischen Erlebnisse zunächst in sich selbst zu finden, sich diesen dann langsam anzunähern und sie schlussendlich nach und nach in die eigene Persönlichkeit zu integrieren. Eine Traumatherapie setzt sich daher aus mehreren Abschnitten zusammen. Ein sehr wichtiger Bereich ist die Aufklärung über das Krankheitsbild, die Stabilisierung des Patienten und die Suche nach sowie das Erkennen von Fähigkeiten. Erst dann kommt der nächste Schritt, nämlich die Traumaverarbeitung und zum Schluss die Integration des Traumas. BI
Weitere Informationen unter www.ordination-westreicher.