Bei gesunden Jahren kein Vorteil

Frauen achten auf die Gesundheit ihrer Familie, aber nicht auf die eigene.
Wien Wiewohl Frauen in Österreich eine statistische Lebenserwartung von 84 Jahren erreichen – und somit im Durchschnitt um 4,7 Jahre länger als Männer leben, liegen sie bei den gesunden Jahren gleichauf. Die Gründe sind vielfältig, mit individueller Gendermedizin könnten viele Risikofaktoren minimiert werden. Bei beiden Geschlechtern werden Lebenserwartung und Lebensqualität zu einem gewissen Teil vom Lebensstil beeinflusst, erläutert Gendermedizinerin Alexandra Kautzky-Willer von der MedUni Wien. Bis zu zwei Jahre der längeren Lebenserwartung von Frauen sind biologisch bedingt, einen großen Teil machen Lebensstilfaktoren aus. Individuelle Medizin und zielgerichtete Prävention können die Spanne der gesunden Jahre deutlich erhöhen: So kann etwa eine Schwangerschaft als „ein Stress-Test für den weiblichen Organismus“ dienen, schildert Kautzky-Willer. „Diabetes oder Bluthochdruck in dieser Phase können Indikatoren auf Erkrankungen in späteren Jahren sein.“
Übergewicht und Diabetes
Laut Eurostat 2019 liegen in Österreich beide Geschlechter bezüglich gesunder Lebensjahre mit 57 Männer zu 57,1 Frauen fast gleichauf. Der europäische Mittelwert beläuft sich auf 64,2 Jahre. „Frauen sind die Gesundheitsmanagerinnen der Familie, kümmern sich aber oft zu wenig um die eigene Gesundheit“, mahnte die Expertin. Rund um Schwangerschaften nehmen sie sich noch am ehesten Zeit, vor allem in Sachen individuelle Vorsorge werden viele mit zunehmendem Alter zu wenig aktiv. „Frauen leben zwar grundsätzlich länger als Männer, kümmern sich aber ab 50 weniger um die eigene Gesundheit.“
Dabei könne man vor allem mit personalisierter Medizin und möglichst früher Eruierung der jeweiligen Schwachstellen viel erreichen. Hält man sich an folgende Punkte, könne man mit plus zehn beschwerdefreien Jahren und einer höheren Lebenserwartung rechnen, betont Kautzky-Willer: Rauchverzicht, mindestens 210 Minuten Bewegung pro Woche, gesunde hochwertige Ernährung inklusive Einhaltung des Körpergewichts im Normalbereich und nicht mehr als 15 Gramm Alkohol pro Tag. „Übergewicht und Diabetes sind die größten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der häufigsten Todesursache bei Frauen“, erläutert die Ärztin. Das liege auch daran, dass die Forschung in erster Linie auf männliche Probanden setzt. Symptome, aber auch die Wirksamkeit von Medikation kann bei Frauen sehr unterschiedlich sein. An Herzkreislauferkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzschwäche und Rhythmusstörungen sterben in Österreich 42 Prozent der Frauen, im Vergleich dazu sind es bei Männern 35 Prozent.
Zwei spezielle Phasen
Ob eine Frau zu einer Risikogruppe gehört und irgendwann an kardiometabolischen Erkrankungen leidet, könne schon in frühen Jahren relativ gut eingeschätzt werden. Frauen durchlaufen im Leben zwei spezielle Phasen, bei denen bestimmte Unregelmäßigkeiten das Risiko für Herzkreislauferkrankungen in höherem Alter anzeigen: die reproduktive Phase und gegebenenfalls Schwangerschaften sowie die Menopause (Wechseljahre). Eine in frühen Jahren einsetzende Monatsblutung oder Menopause, unregelmäßige Menstruationszyklen, das polyzystische Ovarsyndrom oder andere Auffälligkeiten sind schon bei jungen Frauen ein Risikoanzeiger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in späterem Alter.
Mit einem optimierten Lebensstil können Frauen darüber hinaus das Diabetesrisiko um bis zu drei Viertel senken: Wenig Sitzen, ausreichend Schlaf und eine Regulierung von Blutzuckerspiegel, Blutfetten und Blutdruck begünstigen „Healthy Aging“. Wer zuckerkrank ist, kann die Gefahr kardiovaskulärer Erkrankungen und das Mortalitätsrisiko damit um die Hälfte minimieren.