Risikofaktor Mangelernährung

Rund 35 Prozent aller Patientinnen und Patienten im Spital sind mangelernährt.
Feldkirch Es klingt beim ersten Hinhören beinahe absurd, wenn man in unserer vielzitierten Überfluss-Gesellschaft von „Mangelernährung“ spricht. Tatsächlich ist dieses Phänomen vor allem bei kranken und älteren Menschen ein weit verbreitetes und ein gefährliches: Rund 35 Prozent aller Patientinnen und Patienten im Spital sind mangelernährt. Für weitere 45 Prozent ist das Risiko, eine Mangelernährung aufgrund ihres Gesundheitszustandes zu entwickeln, sehr hoch. Umso wichtiger ist es, eine Mangelernährung zu erkennen und als Diagnose wahrzunehmen. Auf Messmethoden und Möglichkeiten zur Behandlung hat eine Fortbildungsveranstaltung mit Vorträgen und Teilnehmern aus ganz Österreich am Landeskrankenhaus Feldkirch aufmerksam gemacht. „Allein bei uns in der Abteilung für Onkologie sind vier von fünf stationären Patienten mangelernährt. Sprich: 80 Prozent haben mit Gewichtsverlust und dessen Auswirkungen zu kämpfen“, verdeutlichte Mitorganisator und Referent Dr. Patrick Clemens, geschäftsführender Oberarzt der Abteilung für Strahlentherapie und Radio-Onkologie am LKH Feldkirch. Der Facharzt und diplomierte Ernährungsmediziner leitet das bereichsübergreifende Ernährungsteam am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch.
Unter den Patienten mit Mangelernährung seien sowohl Menschen, die aufgrund ihres schlechten Ernährungszustandes krank geworden sind, als auch solche, die durch eine schwere Krankheit „ausgezehrt“ sind. Einmal jährlich werden diese Daten weltweit exakt erhoben: Am „Nutrition Day“ wird von Österreich ausgehend die Ernährungssituation der Menschen in Spitälern und Pflegeheimen in eine internationale Datenbank eingespeist. Auch das LKH Feldkirch beteiligt sich seit Jahren an dieser Initiative zur gezielten Bekämpfung von Mangelernährung. Ziel ist es, das Wissen und das Bewusstsein dafür in den Gesundheitseinrichtungen zu stärken und die Qualität der Ernährungsversorgung insgesamt zu verbessern.
Zu wenig Kalorien und Nährstoffe
Mangelernährung bedeutet einen Mangel an Kilokalorien oder auch an Muskelmasse. Oft liegt bei onkologischen Erkrankungen ein hohes Maß an Appetitlosigkeit vor. Bestehende Erkrankungen steigern zudem das Risiko, eine Mangelernährung zu entwickeln. Manchmal können sich kranke und pflegebedürftige Menschen auch selbst nicht angemessen ernähren und brauchen daher Unterstützung. „Ein oft unterschätztes Problem bei älteren Menschen ist etwa eine Schluckstörung.“ Mangelernährung ist eine Diagnose, die, obwohl sie so häufig vorkommt, zu wenig gestellt und beachtet wird, unterstreicht Patrick Clemens. „Das ist ein großes Problem, auf das wir regelmäßig mit unseren Fachveranstaltungen aufmerksam machen. Wir wollen die Sensibilität stärken.“
Kürzlich veröffentlichte Studien untermauern nun erstmals auch mit Zahlen, wie wichtig es ist, diese – oft zusätzliche – Diagnose zu stellen: „Eine Untersuchung in der Schweiz mit über 2000 Patienten hat gezeigt, dass mit gezielter Ernährungstherapie um drei Prozent mehr Spitalspatienten ihre Krankheiten überleben“, fasst der Oberazrt zusammen.
„In der Abteilung für Onkologie sind vier von fünf stationären Patienten mangelernährt. “
