Lichtblicke
„Das Leben macht überhaupt keinen Spaß mehr!“, maulte der eine. „Das sagt ausgerechnet einer, der alles hat!“, konterte der andere. Nach dieser kurzen Konversation versanken die beiden Jugendlichen, die wie ich auf den Bus warteten, in dumpfes Schweigen. „Warum so pessimistisch?“, dachte ich und spann den Faden weiter: Menschen, die sich zumindest um Materielles keine Sorgen machen müssen, scheinen offenbar geneigt, solche zu suchen. Wobei die Sinnfrage in diesem Fall nur kurz an die Oberfläche gedrungen ist. Als die Burschen in den Bus stiegen, war schon wieder aufgekratzt von der nächsten Party und wer da wohl alles auftauchen würde die Rede.
Spaß. Freude. Zwei Begrifflichkeiten, die zugegebenermaßen mit der derzeitigen Situation oft nur schwer in Einklang zu bringen sind. Dass junge Menschen da zuweilen die Perspektive verlieren, ist nachvollziehbar. Sie müssen das Leben schließlich erst noch stemmen. Umso schöner ist es, wenn sie es anpacken. Unlängst war mir diesbezüglich ein besonderes Erlebnis beschieden. Unter einem Gipfelkreuz auf 2000 Metern Seehöhe machte ein junger Mann seiner Freundin einen Heiratsantrag. Er ging vor ihr auf die Knie, die kleine Schachtel mit dem Diamantring parat, und bat um ihre Hand. Nach einem kurzen Moment der Überraschung kam das erhoffte Ja. Laut und deutlich. Bis dahin war ich der Meinung, solches kommt nur in Kitschsendungen wie „Zwischen Tüll und Tränen“ vor. Die Realität belehrte mich eines im wahrsten Sinne des Wortes Besseren. Ich denke oft an diese Szene zurück, und sie berührt mich noch immer. Lichtblicke in etwas düsteren Zeiten. Nie waren sie wertvoller als heute.
Marlies Mohr
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