Schwangerschaftsabbruch
Weit länger als ein halbes Jahrhundert wird über den straffreien Schwangerschaftsabbruch diskutiert, seit dem 1. Jänner 1975 ist er in Österreich Gesetz. Meinen gesamten frauenärztlichen Lebenslauf, von Anfang der 1970er-Jahre bis heute begleitet/belastet/verfolgt mich dieses Thema.
Gleich vorweg: Das österreichische Abtreibungsgesetz ist für mich im internationalen Vergleich das beste. Es garantiert der Frau und dem Arzt unter Einhaltung wichtiger Auflagen Straffreiheit. Für diese Straffreiheit gibt es nach meiner Überzeugung keine Alternative. Auf meine häufige Frage an die Gegner dieses Gesetzes, ob sie die Verfolgung und Bestrafung von Frauen und Ärzten nach einem Schwangerschaftsabbruch wieder einführen wollen, bleibt die Antwort meistens aus oder sie empfehlen, das Problem aus Vorarlberg in ein anderes Bundesland oder ins benachbarte Ausland zu exportieren!
Niemand will Schwangerschaftsabbrüche! Ich habe in einem halben Jahrhundert keinen leichtfertigen Umgang der betroffenen Frauen erlebt. Die politische Diskussion Anfang der 1970er-Jahre war sehr breit und emotional. Kreisky wollte den Paragraphen ersatzlos aus dem Gesetzbuch streichen. Das hätte zu einer Liberalisierung mit hohem medizinischem Sicherheitsverlust für die Frauen geführt. Kardinal König, schon seit 1958 Kardinal mit hohem Ansehen, hat sich vor der parlamentarischen Abstimmung im Jahr 1974 zurückgehalten. Von Seiten der römisch-katholischen Kirche wurde damals nicht gegen das Gesetz mobilisiert.
Jeder Schwangerschaftsabbruch birgt große physische und psychische Risiken. Die gesetzlichen Auflagen im Rahmen der Fristenlösung reduzieren die Gefahr medizinischer Komplikationen. Die 1974 zusätzlich versprochenen Rahmenlösungen sind leider nur teilweise umgesetzt worden. Zum Beispiel ist Österreich das einzige Land in ganz Europa, das keinerlei finanzielle Unterstützung für Empfängnisverhütung anbietet. Im psychosozialen Bereich gibt es großartige private Initiativen und echte Hilfen, zum Beispiel von Schwanger.li und anderen. Rechtzeitige Vorsorge in allen Schulen (ohne, dass die Eltern extra dafür zahlen müssen) und die wichtige Nachsorge können noch deutlich verbessert werden. Die zu erwartenden psychosozialen Verbesserungen sind das Positive dieser aufgeflammten anachronistischen Diskussion.
Vor 1975 habe ich es noch erlebt, wie Frauen nach einem illegalen Abbruch halb verblutend neun Stunden im Zug von Wien nach Vorarlberg gefahren sind. Ab 1975 wurden die Frauen und Ärzte nicht mehr in die Illegalität gedrängt, ein Abbruch war dennoch in Vorarlberg nicht möglich.
Ungewollte Schwangerschaften können reduziert, aber nie ganz vermieden werden. Selbst bei fehlerfreiem Einsatz von Kontrazeptiva sind (selten) Schwangerschaften möglich.
Für mich war die größte und anhaltende berufliche Freude, wenn eine ungewollt schwangere Frau nach Aufklärung, Unterstützung und Begleitung sich doch entschieden hat, das Kind zur Welt zu bringen.
„Die gesetzlichen Auflagen im Rahmen der Fristenlösung reduzieren die Gefahr medizinischer Komplikationen.“
Hans Concin
hans.concin@vn.at
Prim. a. D. Dr. Hans Concin, aks Think Tank
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