Johanna Constantini: “Der Sieg hätte meinen Papa gefreut”

Gesund / 26.06.2024 • 12:58 Uhr
Demenz, Interview mit Johanna Constantini, der Tochter des an Demenz erkrankten ehemaligen österreichischen Teamchefs Didi Constantini
Johanna Constantini hat ihren Vater früher öfter auf Fußballspiele begleitet. VN/Steurer

Johanna Constantini (32) geht mit der Alzheimer-Erkrankung ihres Vaters Dieter sehr offen um.

Dornbirn Mit 64 erhielt Dieter „Didi“ Constantini, langjähriger Fußballprofi und Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft, die Diagnose Alzheimer. Heute, mit 69, lebt er weitgehend in seiner eigenen Welt. Tochter Johanna geht in Büchern und Vorträgen offensiv mit der Erkrankung des Vaters um. Bewusstsein schaffen für Betroffene und Angehörige ist ihr Ziel.

Schauen Sie sich Spiele der Fußball-EM an?

Constantini Ich schaue generell sehr reduziert Fußball. Am Dienstag, als Österreich gewonnen hat, habe ich mir aber schon gedacht, dass das meinen Papa freuen würde.

Sie haben zwei Bücher geschrieben und halten Vorträge. Fällt es Ihnen mittlerweile leichter, über das Thema zu sprechen?

Constantini Es braucht eine gewisse Überwindung, weil man nie weiß, was für Fragen auf einen zukommen. Ich versuche, möglichst offen zu sein. Das fällt mir jetzt leichter. Was nicht zuletzt an den positiven Reaktionen liegt, die zeigen, dass es Menschen hilft, vor allem Angehörigen.

Demenz, Interview mit Johanna Constantini, der Tochter des an Demenz erkrankten ehemaligen österreichischen Teamchefs Didi Constantini
In den Büchern “Abseits” arbeitet Johanna Constantini ihre und die Erfahrungen ihrer Familie auf.

Sind die Bücher und Vorträge für Sie Aufarbeitung?

Constantini Auf jeden Fall. Ich habe angefangen zu schreiben ohne zu wissen, ob ich jemals damit an die Öffentlichkeit gehe. In Absprache mit der Familie und meinem Papa habe ich den Schritt dann getan. Es ist Aufarbeitung, darüber zu sprechen und einen Sinn darin zu erkennen, mit dem eigenen Schicksal anderen Menschen zu helfen. Ich kenne es aus meiner Praxis als klinische Psychologin auch anders. Menschen verstecken sich oder werden versteckt.

Demenz, Interview mit Johanna Constantini, der Tochter des an Demenz erkrankten ehemaligen österreichischen Teamchefs Didi Constantini
Offen und sympathisch: Johanna Constantini nützt die Möglichkeit, um über Demenz aufzuklären.

Über Demenz wird oft gewitzelt…

Constantini Mein Papa hat immer Alzi-Witze gerissen, und man hat darüber gelacht. Den Humor braucht es. Es ist natürlich ein schmaler Grat, aber ohne Lachen geht es schlecht.

Wie erleben Ihre beiden Töchter den Opa?

Constantini Meine Töchter sind mit diesem Prozess der Veränderung aufgewachsen. Sie kennen ihren Opa Dieter nur so, wie er ist. Wir fahren sehr oft gemeinsam ins Pflegeheim. Da gibt es dann hin und wieder ein Bobby-Car-Rolator-Rennen. Wir versuchen immer, das Beste daraus zu machen.

Was war die größte Herausforderung nach der Diagnose?

Constantini Es gab viele Herausforderungen: die Diagnose und Unterstützung anzunehmen etwa, wobei Letzteres beim Papa sehr gut geklappt hat, weil seine Freunde noch sehr lange mitgeholfen und ihn zu Stammtischrunden und Fußballspielen mitgenommen haben.

Demenz, Interview mit Johanna Constantini, der Tochter des an Demenz erkrankten ehemaligen österreichischen Teamchefs Didi Constantini
Menschen mit Demenz geht es im Pflegeheim oft besser, ist Johanna Constantini überzeugt.

Wie gestaltete sich der Schritt ins Pflegeheim?

Constantini Wir haben ihn dadurch abgeschwächt, dass wir meinen Papa über ein Jahr jeden Tag besucht bzw. heimgeholt haben. Es war eine Mammutaufgabe, aber es hat allen die Sache erleichtert. Mittlerweile ist das Pflegeheim der Ort, wo er am liebsten ist.

Haben Sie Angst, dass die Demenz Sie oder jemanden in der Familie auch treffen könnte?

Constantini Das ist eine sehr häufig gestellte Frage. Ich erlebe meinen Papa nun schon einige Jahre mit dieser Krankheit, und an den meisten Tagen habe ich das Gefühl, dass es ihm nicht schlecht geht. Deswegen ist meine Furcht vor dieser Krankheit auch nicht so groß, weil die Menschen sehr lange gut leben können. Wer viel öfter vergessen wird, sind die Angehörigen.

Es gibt in Vorarlberg die Aktion Demenz. Was halten Sie davon?

Constantini Ich finde es ganz wichtig, diese Menschen am Leben teilhaben zu lassen, aber auch die Angehörigen. Oft ist es so, dass man sich schämt und zurückzieht. Für Angehörige bedeutet das ein hohes Risiko, depressiv zu werden. Depressionen im Alter erhöhen das Demenzrisiko. Es braucht Offenheit im Umgang mit Demenz.

Demenz, Interview mit Johanna Constantini, der Tochter des an Demenz erkrankten ehemaligen österreichischen Teamchefs Didi Constantini
Johanna Constantini beantwortet Fragen so offen, wie es vertretbar und möglich ist.

Wie wichtig sind unterstützende Möglichkeiten, wie sie etwa an der FH erforscht werden?

Constantini Ich finde es wichtig, dass Dinge probiert werden, ob sie angenommen werden oder nicht. Es gibt ohnehin zu wenig Unterstützung. Ich selbst forsche an Online-Selbsthilfegruppen.

Gab es schon den Vorwurf, Sie würden Ihren Vater quasi ins Schaufenster stellen?

Constantini Hinter meinem Rücken wird es sicher Kritik geben, das nehme ich jedoch in Kauf, weil ich spüre, dass ich helfen kann. Was ich für mich, für uns behalten will, sage ich nicht, alles, was irgendwie helfen und unterstützen kann, sage ich.