Kränkelnde Debatte um kranke Arbeitnehmer

Gesund / 10.01.2025 • 10:20 Uhr
Kränkelnde Debatte um kranke Arbeitnehmer
Public-Health-Experte Armin Fidler wäre vorsichtig mit Vergleichen und Ursachennennungen. Fakt ist, die Debatte um bezahlten Krankenstand ist angebrochen. Canva, VN

Sowohl in Deutschland als auch Österreich gibt es Vorstöße für unbezahlten Krankenstand trotz diffuser Ursachen.

Schwarzach Zu Wochenbeginn ließ Allianz-CEO Oliver Bäte in Deutschland aufhorchen: Krankenstände kämen dem Sozialsystem zu teuer, die deutsche Arbeiterschaft sei länger krank als der EU-Schnitt. Er fordert, dass der erste Krankheitstag nicht mehr bezahlt werden sollte. Tatsächlich nahm die Zahl der Krankenstände zu, jedoch aus hausgemachten Gründen.

Neue Erhebungsmethode

Denn nicht häufiges Blaumachen ist laut Bundesärztekammer und einer Studie der Versicherung DAK zufolge der Grund, sondern es sind die neue digitale Krankmeldung und verstärkte Infektionen. Bis 2021 wurden Krankenstände von über drei Tagen Dauer vom Arbeitnehmer eingemeldet, inzwischen geschieht dies automatisch – und damit vollständiger. Laut der Studie zum aktuellen deutschen Rekordkrankenstand beträgt der Meldeeffekt – je nach Diagnose – rund 60 Prozent und mehr. Hinzu kommen verstärkte Infektionswellen und weiterhin Corona, das seit Juli 2023 nicht mehr meldepflichtig ist.

Kränkelnde Debatte um kranke Arbeitnehmer

“Man muss mit solchen Spikes (Ausschlägen) sehr vorsichtig sein in der Interpretation”, betont auch Public-Health-Experte Armin Fidler. Eben solche Umstellungen in der Datenerfassung dürfe man nicht unterschätzen. Blickt man etwa auf Österreich, sind die Infektionszahlen unter den ÖGK-Versicherten noch klar hinter jenen vom Vorjahr. Doch auch in Österreich gibt es seit Corona einen Anstieg an den Gesamt-Krankheitstagen, während die einzelne Dauer eines Krankenstandes seit Jahrzehnten rückläufig ist. Unterschiede in den Erhebungsmethoden mache es auch schwierig, die Zahl der Krankenstandstage zwischen Nationen zu vergleichen.

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“Die Zunahme an Krankheitsfällen lässt sich im gesamten deutschsprachigen Raum beobachten und ist auf jeden Fall seit über einem halben Jahr dokumentiert”, betont Fidler. Auffällig sei etwa der Anstieg von respiratorischen Erkrankungen, sprich der Atemwege, vor allem bei jüngeren Arbeitnehmern. “Ohne eine konkrete Studie wird man nie genau die Ursachen wissen”, verbietet er sich jedoch zu spekulative Interpretationen.

Infektionswellen und mentale Belastung

Denkbar wäre etwa eine höhere Inzidenz, also mehr Ansteckungen, aufgrund von Impfmüdigkeit nach der Coronapandemie. Hinzu kommen saisonale Häufigkeiten und Höhepunkte von Infekten. „Europaweit steigen die Nachweise der echten Grippe. Auch in Österreich verzeichnen wir zunehmend mehr Erkrankungen durch die echte Grippe”, schlägt auch ÖGK-Chefarzt Andreas Krauter in diese Kerbe. “Der größte Teil der zirkulierenden Viren, nämlich Influenza A(H1N1)pdm09 Viren, entsprechen den im Influenzaimpfstoff enthaltenen Virusstämmen, daher schützt die Impfung besonders effektiv.”

Außerdem hat sich die Einstellung zu Krankheiten über die Jahrzehnte verändert. “Mentale Erkrankungen und Ausnahmezustände waren vor 30 Jahren noch kaum bekannt”, erinnert Fidler. Diese sind inzwischen weniger stigmatisiert und werden nun eher behandelt. Arbeitsunfälle nahmen dafür ab, auch sind Höhergebildete seltener krank.

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Weiters hat sich die Welt verändert. Durch Mobiltelefone verschwand die klare Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit. Und Arbeitsplätze wurden globaler: “Ich kann selbst ein Lied davon singen, ich bin etwa 100 Tage im Jahr unterwegs. Natürlich ist es ein Stressfaktor, wenn man deswegen einen Geburtstag eines Kindes verpasst.”

Wenig Begeisterung für Anregungen

Ähnliche Forderungen gibt es aus der Wirtschaftskammer, sowohl auf einen unbezahlten Krankentag als auch bei Langzeitkrankenständen. “Krank arbeiten zu kommen und die halbe Firma anzustecken kann für die Gesellschaft kaum förderlich sein”, sieht Fidler einen unbezahlten ersten Krankheitstag als kontraproduktiv an. Der Idee von Urlaub statt Langzeitkrankenstände hält er entgegen, dass die Betroffenen bereits heute von Vertrauensärzten der Versicherungsanstalten auf ihren Krankenstand geprüft werden.

Sollte bei ihrem Hausarzt keine kostenlose Grippe-Impfung im Rahmen des Öffentlichen Impfprogramms angeboten werden, können Sie auf den Webseiten der ÖGK und des Bundes (www.impfen.gv.at)  die teilnehmenden Mediziner*innen suchen. Zudem können Sie sich auch unkompliziert bei der Telefon-Hotline 1450 informieren, genauso wie bei der Grippeimpfhotline der ÖGK