Die Mutter des Muttertags starb verbittert

HE_Blude / 26.04.2023 • 15:12 Uhr
Auch in Form von Briefmarken wurden die Mütter geehrt.Shutterstock
Auch in Form von Briefmarken wurden die Mütter geehrt.Shutterstock

HISTORIE Bereits Napoleon wollte anno 1806 einen Muttertag einführen, konnte aber nach der Schlacht von Waterloo sein Vorhaben nicht mehr umsetzen. So richtig den Stein ins Rollen brachte dann aber die amerikanische Frauenrechtlerin Julia W. Howe im Jahr 1872, als sie einen offiziellen Feiertag für Frauen forderte. Die Schriftstellerin veröffentliche eine „Mothers’ Day Proclamation“. Als „offizielle Mutter“ des Muttertages gilt aber die Methodistin Anna Marie Jarvis, die am 1. Mai 1864 in Virginia auf die Welt kam. Da Annas Vater früh stirbt, muss sich ihre Mutter Ann plötzlich ganz allein um die Großfamilie und die blinde Schwester kümmern. Anna steht der Mutter bei. Sie heiratet nicht, wird Lehrerin und unterstützt die Mutter auch finanziell. Doch die über alles geliebte Mutter stirbt überraschend am zweiten Sonntag im Mai 1905. Da sie Mittelpunkt und Herz der Familie war, will Anna Jarvis die Erinnerung an die stets hilfsbereite, beliebte und geschätzte Frau nicht einfach verblassen lassen. Sie beschließt, aus dem privaten Gedenken ein öffentliches zu machen, und zwar für alle Mütter. Denn sind es nicht die Mütter, von denen der Friede und die Versöhnung für die Welt ausgehen?

Zeichen der Verbundenheit

Als Ausdruck ihrer tiefen Liebe zu ihrer Mutter ließ Anna Marie Jarvis 500 weiße und rote Nelken, die Lieblingsblumen ihrer Mutter, vor der Kirche an andere Mütter verteilen. Sie wirbt mit Zeitungsartikeln und Briefen an Politiker, Frauenverbände und Kirchenführer für die Einführung eines „Freundschafts- und Danktages der Mütter“. Der Tag sollte helfen, die Rechte der Mütter – der Frauen – durchzusetzen. Am 8. Mai 1914 unterschreibt der amerikanische Präsident Thomas Woodrow Wilson einen vom amerikanischen Kongress einstimmig beschlossenen Erlass, dass künftig am zweiten Sonntag im Mai der Muttertag begangen werden soll. Das ist bis heute so. Anna Jarvis hingegen war die zunehmende Kommerzialisierung zeitlebens ein Dorn im Auge. Das geht so weit, dass sie sogar vor Gericht zieht, damit der Muttertag nicht vom Handel und der Industrie vereinnahmt wird. Sie verliert den Prozess und kann schließlich noch nicht einmal das Altersheim bezahlen, in dem sie ihre letzten Lebensjahre verbringt. Die Kosten übernehmen die Blumenhändler, für die der Muttertag wirtschaftlich existenziell ist. Die Gründerin des Muttertages erfuhr nie etwas davon und starb am 24. November 1948.

Seit 1924 in Österreich

Ab den 1920er-Jahren verbreitete sich der Muttertag über England aus in die Schweiz, nach Finnland, Norwegen und schließlich auch 1924 nach Österreich. Hier gilt Marianne Hainisch, Begründerin und Führerin der Frauenbewegung in Österreich, als Initiatorin für die Verbreitung und Etablierung des Muttertages. Unterstützung fand sie in der Pfadfinderbewegung, die sich ebenso für die Feier eines Muttertags einsetzte. Die Nazis missbrauchten den Festtag für ihre Propaganda und führten den „Gedenk- und Ehrentag der deutschen Mütter“ ein. Kinderreiche Mütter wurden als Heldinnen des Volkes zelebriert und mit dem Ehrenkreuz ausgezeichnet – für ihre besondere Gebärleistung. Das lässt einen noch heute erschaudern.

Auch in Form von Briefmarken wurden die Mütter geehrt.Shutterstock
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