CERN-Techniker auf Radtour von Genf nach Bezau

HE_Brege / 22.06.2022 • 14:26 Uhr
Ein Selfie in der voll besetzten Aula der Bezauer Wirtschaftsschulen.

Teilchenbeschleuniger referierte an „seiner“ Bezauer Schule über die Arbeit bei CERN.

Bezau Ehemalige Absolventen an die Schule einzuladen und dabei dort über ihre Karriere zu referieren und zu diskutieren, hat eine lange Tradition. Immer wieder kommen dabei Ehemalige zu Wort, die einen interessanten Weg hinter sich haben.

Der jüngste Gast faszinierte die in der voll besetzten Aula versammelte Schulgemeinschaft mit seinem außergewöhnlichen beruflichen Werdegang, der ihn 2019 in das Conseil européen pour la recherche nucléaire (CERN) führte. An dieser 1954 gegründeten Großforschungseinrichtung in der Nähe von Genf, die teilweise in Frankreich und teilweise in der Schweiz liegt, sind rund 4000 Wissenschaftler und Techniker beschäftigt. Das Jahresbudget von mehr als 1,1 Milliarden Euro wird von den 23 Mitgliedsstaaten finanziert.

Kontakt riss nie ab

Wie kommt die Bezauer Schule zu so einem prominenten Referenten? „Florian Hofmann hat 2003 an der Handelsakademie maturiert und den Kontakt zu ihm haben wir nie abreißen lassen“, verrät Theresia Beer, seine damalige Lehrerin, die diese Vortragsveranstaltung mit dem aus Damüls stammenden ehemaligen Schüler über Social Media organisierte.

Abstecher auf Mega-Radtour

Erstaunlich ist nicht nur der berufliche Werdegang des Referenten, auch sein Besuch in Bezau war außergewöhnlich: „Florian ist mit einem Kollegen auf eine große Radtour gegangen, um in seiner Heimat Freunde und Verwandte zu besuchen und einen Abstecher zu seiner ehemaligen Schule zu machen“, weiß Direktor Mario Hammerer zu berichten. „Er war immer schon ein leidenschaftlicher Sportler“, erinnert sich Beer, die nicht sonderlich überrascht davon war, dass ihr ehemaliger Schüler die mehr als 500 Kilometer lange Radtour von Genf nach Bezau mit zwei Übernachtungen bei Freunden schaffte. Nach dem Vortrag in Bezau ging es weiter über Schönenbach-Rohrmoos-Kleinwalsertal (wo er einen Onkel besuchte) nach Innsbruck.

Der Wälder HAK-Absolvent kam auf Umwegen nach Genf. Nach der Matura begann Florian ein Studium der Atmosphärenphysik an der Uni Innsbruck. Nach zwei Semestern wechselte er zu Engineering und Programmierung. Nach Abschluss des Studiums und Tätigkeiten in verschiedenen Bereichen wie Automobil, Werkzeugbau und Wasserkraftwerke wechselte er zum CERN. Er ist einer von mehreren Hundert Ingenieuren und Technikern, die damit beschäftigt sind, Geräte zu entwickeln, zu bauen, zu testen und in gutem Zustand zu halten – Berufsbezeichnung: Schwermaschinenmechaniker.

Zuhörer waren begeistert

„Obwohl das Thema sehr komplex und schwierig zu verstehen ist, hat es Florian sehr verständlich rübergebracht und versucht alles so einfach wie möglich zu erklären“, brachte es Sophia Spöttl auf den Punkt: Florian Hofmann hat seine Zuhörer mit seinem Vortrag total gefesselt.

„Wir konnten viel Neues dazulernen. Ein sehr komplexes Thema und trotzdem hat uns Florian das sehr gut verständlich gemacht“, war auch Nadine Weber begeistert.

„Der Vortrag war äußerst spannend und weckte die Begeisterung für aktuelle Forschungen und zeitgenössische Wissenschaften in mir“, sieht Julius Fink Hofmanns berufliche Laufbahn als mögliches Vorbild für ihn selbst.

„Teilchenbeschleunigung und Maschinenbau sind nicht unbedingt meine Themen. Trotz alledem zog Florian Hofmann mich in seinen Bann“, so Lena Maerker.

Doch nicht nur die fachliche Kompetenz des Referenten hat die Zuhörer begeistert, auch sein Lebensmotto beeindruckt. „Es ist cool zu sehen, was nach dem Abschluss einer Handelsakademie alles passieren kann“, meinte Anja Winder und kann sich voll damit identifizieren, was Florian seinen Zuhörern mit auf den Weg gab und das er nur wenige Tage vor seinem Vortrag in Bezau in einem ausführlichen Interview mit einem Fachmagazin artikulierte: „Neugierig, lernbegierig und aufgeschlossen zu sein, sind wichtige Fähigkeiten für CERN-Techniker. Ich denke, jeder muss sich fragen, was er will und in was für einer Welt er leben will.“ STP

Florian Hofmann auf der Anreise – „nur“ noch rund180 km bis Bezau.
Florian Hofmann auf der Anreise – „nur“ noch rund
180 km bis Bezau.
Nadine Weber: „Florian hat das sehr gut verständlich gemacht.“

Anja Winder: „Cool zu sehen, was nach der HAK alles passieren kann.“

Julius Fink: „Begeisterung für Forschung und Wissenschaft geweckt.“

Stichwort CERN – von Kernforschung zur Teilchenbeschleunigung

Das CERN, die Europäische Organisation für Kernforschung, ist ein 1954 ursprünglich zur Kernforschung gegründete Forschungseinrichtung, an der heute vorwiegend physikalische Grundlagenforschung betrieben wird, insbesondere wird mithilfe großer Teilchenbeschleuniger der Aufbau der Materie erforscht. Der leistungsstärkste Teilchenbeschleuniger der Welt ist der Large Hadron Collider (LHC), der 2008 in Betrieb genommen wurde.

An Planung und Bau waren über 10.000 Wissenschaftler und Techniker aus über 100 Staaten beteiligt, es kooperierten Hunderte Unis und Forschungsinstitute. Maßgebliche Komponente ist ein Synchrotron in einem 26,7 Kilometer langen unterirdischen Ringtunnel, in dem Protonen oder Blei-Kerne gegenläufig auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht werden, um zu erforschen, woraus unser Universum besteht und wie dieses funktioniert.

Derzeit hat das CERN 23 Mitgliedstaaten. Mit rund 3400 Mitarbeitern ist es das weltweit größte Forschungszentrum auf dem Gebiet der Teilchenphysik. Über 4000 Gastwissenschaftler aus 85 Nationen arbeiten an CERN-Experimenten. Im Mai 1983 wurden am CERN die W- und Z-Bosonen entdeckt, Carlo Rubbia und Simon van der Meer erhielten dafür 1984 den Nobelpreis. Diesen bekam 1992 auch Georges Charpak für einen Teilchendetektor, der den Teilchennachweis revolutionierte.