Räume für das Leben: Vortrag von Verena Konrad

Heimat / 15.12.2023 • 15:20 Uhr
Verena Konrad und Thomas Matt im Saal der Arbeiterkammer Feldkirch. <span class="copyright">Jürgen Gorbach</span>
Verena Konrad und Thomas Matt im Saal der Arbeiterkammer Feldkirch. Jürgen Gorbach

Spannender Vortrag von Verena Konrad im Rahmen von Wissen fürs Leben im Arbeiterkammersaal Feldkirch.

FELDKIRCH „Es ist die letzte Veranstaltung von Wissen fürs Leben in diesem Jahr. Das ist ein besonderer Anlass und das braucht ein besonderes Thema. Das schreit sozusagen nach etwas Essenziellem. Aus diesem Grund haben wir Verena Konrad eingeladen“, sagte Thomas Matt, Kurator und Moderator der Formatreihe Wissen fürs Leben, vor Kurzem bei seiner Einführung im Saal der Arbeiterkammer Vorarlberg in Feldkirch.

„Wir wollen heute über Räume für das Leben sprechen. Und wahrscheinlich denken Sie sich jetzt: Aha, heute ist Weltbodentag und das passt jetzt wunderbar. Ja auch, stimmt. Aber wir verbauen in Österreich täglich 11,3 Hektar Boden. Täglich! Da kann man schon ins Grübeln kommen“. Er legte auch die Vermutung nahe, die Veranstaltung böte eine stille Referenz an das Land Vorarlberg: „Weil immerhin der Bodenfond Wirklichkeit wird – endlich. Das konnten wir jedoch bei der Planung der heutigen Veranstaltung noch gar nicht wissen. Gehofft haben wir, wir waren aber auch schon ziemlich entmutigt. Und jetzt sind unsere Gebete sozusagen erhöht worden.“

Gebete würden jedoch zu einem anderen Thema führen: „Die Weihnachtsgeschichte wäre auch ein möglicher Einstieg, das werden sich vielleicht auch manche denken, könnte uns ja auch inspiriert haben. Schließlich hat die heilige Familie ja ebenfalls nach geeigneten Räumen für ein neues Leben gesucht und keine gefunden.“

Der Vortrag von Verena Konrad und die Moderation von Thomas Matt führte zu einer angeregten Diskussion.
Der Vortrag von Verena Konrad und die Moderation von Thomas Matt führte zu einer angeregten Diskussion.

Schutz und Inspiration

Thomas Matt führte weiter aus: „Architektur schafft, wenn sich alles fügt, für beschützende, wärmende, inspirierende Räume für das Leben. Es gebe jedoch auch Schattenseiten. Die Fragen nach gutem und bezahlbarem Wohnraum seien uralt.

„Und das ist ein bisschen seltsam, weil die Architektur zu allen Zeiten faszinierende Antworten bereitgehalten hat. Vor allem in Vorarlberg, da hat eine Gruppe von Architekten und Bauherrn in den 1980er-Jahren als Vorarlberger Bauschule mit innovativen Wohnhäusern und Siedlungsanlagen von sich reden gemacht hat. Und wie ist das heute?“, stellte er eine grundlegende Frage in den Raum und präsentierte daraufhin die Referentin: „Es gibt kaum jemanden, der die Szene so gut kennt wie Verena Konrad. Sie ist Kunsthistorikerin und leitet seit 2013 das Vorarlberger Architekturinstitut. Sie ist als Kuratorin und als Autorin tätig, lehrte an der Universität Innsbruck im Fach Architekturtheorie und an der Universität Linz in der Abteilung Raum- und Designstrategien. Sie ist Mutter von zwei Kindern und lebt zur Miete in Lochau und das nicht am Pfänderhang über den Köpfen der ‚normalen‘ Bevölkerung. Sie weiß genau, wovon sie spricht. Mit ihr treten wir heute bewusst einen Schritt zurück aus der hitzigen Diskussion dieser Tage und fragen, was Architektur und Städtebau an zukunftsfähigen Lösungen für uns bereithalten.“ Klimaschutz und gerechte Verteilung in der knapper Ressource Raum würden dabei im Mittelpunkt stehen, wobei für immer mehr Menschen der Spielraum immer kleiner wird.

Gesellschaftliche Dimension

Für Verena Konrad ist es manchmal wichtig, den Boden auch der vermeintlichen Gewissheiten zu verlassen und Dinge zu hinterfragen und in einen politischen Kontext zu setzen. Sie sei keine Architektin, sondern Theoretikerin: „Ich beobachte, wie Architektur in der Gesellschaft wirkt. Und das ist eigentlich schon die zentrale Aussage: Ich betrachte Architektur als kulturelles Phänomen von Menschen für Menschen gemacht. Aus dieser Aussage lässt sich schon ableiten, dass es hier um Entscheidungen geht.“

Im Vorarlberger Architekturinstitut kümmere man sich also um die gesellschaftliche Dimension von Architektur. Die Herausforderungen lägen im ökologischen, ökonomischen und sozialen Bereich: „Die Architektin Anna Heringer bezeichnet Architektur als Werkzeug, um das Leben zu verbessern. Aber Werkzeug wofür? Wir wissen, dass ein Werkzeug immer nur so gut ist wie seine Anwendung, also wofür man es benutzt und auf welche Art. Und ich möchte Sie mit einem Konzept von Architektur bekanntmachen, das seit einige Jahren eine große Öffentlichkeit hat und das ist Sorge tragen. Als Kuratorin liegt mir diese Haltung sehr nahe. Im Wort Kuratorin steckt das Wort cura, das bedeutet Sorge. Darum habe ich auch eine besondere Affinität zu diesem Ansatz.“

Sie möchte die Sorge tragen auf drei Aspekte in der Architektur anwenden, einmal in der Ökonomie, der Ökologie und dann auf das Themengebiet Arbeit: „Wir alle haben Sorgen. Auch in der Architektur gibt es sehr viel, worum man sich kümmern muss und Dinge, auf die man achten muss. Da ist eine Bauaufgabe, die kann auf verschiedenste Weise gelöst werden. Jeder Lösungsweg ist auch eine Antwort auf etwas Vorhandenes, auf einen Kontext, auf eine Fragestellung, einen Zugang und einen Ausdruck von Haltung. Architektur ist ein Akt des Handelns, eine Materialisierung von Ideen. Es sind Menschen, die Ideen haben. Und, ganz wesentlich, Architektur ist kein Einzelphänomen, sondern sie ist ein Spiegel unsere Zivilgesellschaft.“

Erweiterter Kulturbegriff

Verena Konrad vertritt einen erweiterten Kulturbegriff. Es gäbe selbst in der hochwertigen Architektur Vorarlbergs blinde Flecken und Strömungen, die ihr Sorge machen, nämlich wenn der Spekulationsdruck zu hoch wird, es zu wenig Innovation, insbesondere im Wohnbau, gibt und wenn Ressourcen wie Grund und Boden unreflektiert verbraucht werden. Architektur böte jedoch die Stütze des menschlichen Handelns schlechthin. Sie frage sich jedoch, welche Architektur als Praxis, die dann als fertiges Gebäude dasteht, dem Anspruch genügen kann, ein Werkzeug für ein besseres Leben zu sein und betonte dazu: „Zweifel ist kein Anzeichen von Schwäche, sondern ein Indiz für Intelligenz und Charakter.“ Es solle auf das richtige Maß geachtet werden und Architektur müsse vor allem politisch werden, wo sie es noch nicht ist: „Denn zu einem besseren Leben trägt man nicht bei, indem man Augen und Ohren verschließt und sich für nicht verantwortlich erklärt.“ BI