Würde und Wertschätzung als Grundprinzip

Heimat / 28.03.2024 • 11:30 Uhr
Ethikteam des LKH Bludenz
Prim. Dr. Ruth Krumpholz, Vizebürgermeisterin Andrea Mallitsch und Krankenhausseelsorgerin Teresa Loicher überzeugten mit umfassender Auskunft zum Thema Ethik im Krankenhaus. BI

Dialogische Präsentation von Fragestellungen rund um das Ethikteam im Landeskrankenhaus Bludenz

Bludenz Welche Aufgaben hat ein Ethikteam in einem Krankenhaus? Und wer ist davon betroffen? Das sind vielfach Fragestellungen, die sich auch Menschen, die noch nie in einer dringlichen gesundheitlichen Situation waren, stellen. Dementsprechend groß war am vergangenen Dienstag das Interesse an einer Veranstaltung aus der Reihe „Gesundheit im Gespräch“ der Stadt Bludenz, bei der erstmals in dialogischer Form die Thematiken rund um das Ethikteam des Landeskrankenhauses Bludenz aufgeworfen wurden.

Ethikteam des LKH Bludenz
Maria Andreatta, Bludenz: “Mich hat der Vortrag sehr angesprochen. Einerseits bot Teresa Loicher einen wertvollen Einblick in den Bereich der Theologie, der Spiritualität und der Philosophie und in diesem Zusammenhang die notwendige Sensibilität für die Würde des Menschen in allen Lebensbereichen. Andererseits gefiel mir die offene und ehrliche Art von Ruth Krumpholz, über Leben und Tod zu sprechen.”

Vizebürgermeisterin Andrea Mallitsch moderierte feinfühlig das Gespräch, die Medizinerin Ruth Krumpholz und die Krankenhaus-Seelsorgerin Teresa Loicher, beide sind im Landeskrankenhaus Bludenz tätig, präsentierten ihre differenzierten Sichtweisen im Umgang mit schwer erkrankten Menschen und deren Angehörigen. Sie beantworteten kompetent und mit viel Erfahrungswissen Fragen von den Besucherinnen und Besuchern. Auf diese Weise entspann sich ein spannender, interaktiver Dialog zwischen den beiden Ethik-Expertinnen und dem Publikum.

Ethikteam des LKH Bludenz
Andrea Erhard, Bürs: “Ich fand den heutigen Vortrag ausgesprochen interessant, vor allem die Kombination aus dem fachlichen und dem seelsorgerischen Bereich. Mir ist vieles bekannt, da ich selber in der Pflege tätig bin. Dennoch bekam ich neue Einblicke für den Umgang mit schwerkranken Menschen und deren Angehörigen. Uns wird einfach sehr viel erzählt, ein sorgsamer Umgang mit diesem Wissen ist vonnöten.”

Ein multiprofessionelles Team

„Es geht heute darum, Themen, über die sonst eher geschwiegen wird, anzusprechen und mitunter auch Vorurteile aufzubrechen“, sagte Andrea Mallitsch zu Beginn der Veranstaltung. Ruth Krumpholz erläuterte die Zusammensetzung der Mitglieder des Ethikteams: „Wir sind ein multiprofessionelles Team. Bei einer Besprechung sind die Chirurgen dabei, die Krankenhausseelsorge und auch das Pflegepersonal. Die Pflege hat den ganzen Tag direkt mit den Patientinnen und Patienten zu tun und gewinnt dabei mitunter eine andere Sichtweise als eine Ärztin oder ein Arzt bei der Visite.“ Wichtige Entscheidungen werden immer im Team getroffen. „Bei Menschen, die terminal erkrankt sind, überlegen wir uns, was noch Sinn macht oder nicht. Dabei gehen wir von den beiden Grundprinzipien in der Ethik aus, nämlich dem Nutzen für den Patienten und dem Leitsatz ‚Es darf nicht schaden‘“, führte die Medizinerin weiter aus. Das Nicht-Schaden-Prinzip sei mitunter schwierig umzusetzen, da sich bei manchen Medikamenten und Therapien erhebliche Nebenwirkungen einstellen. Es gelte jedoch, den Schaden möglichst zu minimieren.

Ethikteam des LKH Bludenz
Simona Marinier, Bludenz: “Einmal mehr wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, die Wahrheit über einen Gesundheitszustand auszusprechen – auch wenn es im Moment für alle Beteiligten schwierig sein mag. Mir gefällt, dass alle Professionen im Ethik-Team des LKH Bludenz vertreten sind und auch die Anliegen der Angehörigen bei Entscheidungen berücksichtigt werden. Das nimmt viel Druck von den einzelnen Akteuren.”

Autonomie erhalten

Ein weiterer, sehr wichtiger Punkt ist für sie die Achtung vor der Autonomie der Patientinnen und Patienten: „Ich gestehe aus meiner medizinisch-ethischen Sicht jeder und jedem zu, selbst zu entscheiden, was und wie er oder sie es möchte. Würde und Wertschätzung sind für mich die grundlegenden Begriffe bei der Behandlung und Begleitung von Menschen.“ Dazu gehöre auch eine ehrliche Aufklärung um den tatsächlichen Zustand eines Erkrankten: „Früher wurde oft um den heißen Brei herumgeredet. Das empfinde ich als Respektlosigkeit gegenüber dem betroffenen Menschen und dessen Angehörigen. Die Wahrheit ist zumutbar.“ Sie schilderte sodann anhand von eindrücklichen Beispielen, in welcher Form sie mit älteren oder verängstigten Menschen kommuniziere: „Man muss auch den Tod thematisieren – und dies rechtzeitig.“

Ethikteam des LKH Bludenz
Melissa Jankowitsch, Bludenz: “Ich habe als Mitarbeiterin der Stadt Bludenz, Abteilung Gesundheit und Soziales, die heutige Veranstaltung organisiert. Mir ist es bei unseren Veranstaltungen wichtig, möglichst breitflächig alle Themenbereiche abzudecken. Über das Ethik-Team hatte ich mir zuvor noch keine konkreten Gedanken gemacht, war heute jedoch positiv überrascht, was für eine rege Diskussion entstanden ist.”
 

Diesem Ansatz der Offenheit stimmte auch Teresa Loicher zu: „Es treten oftmals in der Endphase eines Lebens noch Fragen zu ungeklärten Konflikten auf. Dabei entsteht das Gefühl, dass etwas noch nicht heil ist. Oftmals hilft es, wenn dies offen ausgesprochen werden.“ Auch subjektive und objektive Schuldgefühle spielen eine belastende Rolle: „Auch Schuldgefühle sollen angesprochen werden und zwar nicht in dem Sinne, diese noch weiter zu verstärken, sondern einen Raum dafür zu öffnen.“ Ungelöste familiäre Auseinandersetzungen spiegeln sich oftmals auch bei Entscheidungen über einen Rückzug aus einer Therapie, wenn ein Familienmitglied nicht mehr ansprechbar ist: „Wir versuchen immer, im Sinne der Patientin oder Patienten zu handeln. Wenn in einer Familie gegensätzliche Positionen vertreten sind, ist das auch für uns nicht einfach.“ BI