Industrie, Innovation – und ein dunkles Kapitel: Die Geschichte der Rüschwerke

Heimat / 02.05.2025 • 16:00 Uhr
Rüschwerke
Die Rüschwerke – Vom Wasser getrieben, vom Wandel gezeichnet: Die Dreherei der Rüschwerke um 1900. Stadtarchiv Dornbirn

Die Rüschwerke in Dornbirn waren über ein Jahrhundert lang der größte metallverarbeitende Betrieb Vorarlbergs und spiegeln eine bewegte Industriegeschichte wider, die von technischer Innovation und wirtschaftlichen Herausforderungen bis zu einem dunklen Kapitel in der NS-Zeit reicht.

Dornbirn Die Rüschwerke in Dornbirn prägten über ein Jahrhundert lang die Region – als Ort technischer Meisterleistungen, harter Arbeit und historischer Umbrüche. Wo heute rund 10.000 Besucher pro Jahr durch die Hallen der inatura in Dornbirn schlendern und sich für die Wunder von Mensch, Natur und Technik begeistern, klangen einst ganz andere Töne in der Luft: das Hämmern von Schmiedehämmern, das Zischen heißer Güsse, das Dröhnen schwerer Maschinen.

Rüschwerke
Inatura ehemalige Rüschwerke 2013: Erinnerung an über 150 Jahre Industriegeschichte.Böhringer

Bis ins Jahr 1984 war hier, mitten im Herzen Vorarlbergs, der größte metallverarbeitende Betrieb des Landes zu Hause – die Rüschwerke. Am Anfang dieser Industriegeschichte stand das Wasser – genauer gesagt der Müllerkanal, ein Seitenarm der Dornbirner Ach. Diese Wasserkraft nutzte zunächst Johann Georg Bröll für eine einfache Hammerschmiede.

Rüschwerke
Josef Ignaz Rüsch (1794-1855) war ein schweizerisch-österreichischer Mühlenbauer, Fabrikant und als Unternehmer Begründer der späteren Rüsch-Werke in Dornbirn.

Doch der entscheidende Impuls kam aus dem Schweizer Thurgau: Der Mühlenbauer Joseph Ignaz Rüsch erkannte das Potenzial des Standorts und kaufte die Schmiede. Damit legte er den Grundstein für eines der bedeutendsten metallverarbeitenden Unternehmen der Region.

Neue Ära der Energieversorgung

Schon früh erweiterte Rüsch den Betrieb, etwa um eine Gießerei im Jahr 1837. Seine Produkte – von Maschinenteilen über Herde und Öfen bis zu Mühlen, Turbinen und sogar Kanaldeckeln – waren bald in ganz Vorarlberg gefragt. Eine gewaltige Wasserradanlage mit 100 PS für den Textilbetrieb Jenny & Schindler im Jahr 1846 war ein Meilenstein. Unter der Leitung von Rüschs Sohn Karl Alfred ging die Innovation weiter. 1852 entwickelte man die erste Turbine zur eigenen Energieversorgung – der Beginn einer neuen Ära. Das Besondere: Die Regelungstechnik stammte aus eigener Feder – die hydraulischen Regulatoren nach dem Patent Rüsch/Sendtner wurden zum Markenzeichen. Turbinen, Regler und Rohrleitungen wurden bald in der gesamten Habsburgermonarchie verkauft.

Inatura Dornbirn
Rüschwerke 2000 – 2003. Vorarlberger Landesbibliothek

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war geprägt von rascher Expansion. Es entstanden neue Werkstätten, eine zweite Gießerei, ein Dampfkesselhaus, eine Dreherei, eine Montagehalle – das Werksgelände wuchs auf über zehn Gebäude an, von denen sechs bis heute erhalten sind. Dank der Architekten Dietrich | Untertrifaller, Hermann Kaufmann und Christian Lenz wurden sie umgebaut und sind seit 2003 Teil des Naturmuseums und des Kunstraums Dornbirn.

Längster Streik der Geschichte

Doch der industrielle Glanz bekam erste Risse: Nach der Fusion mit der Metallgießerei Frastanz zu den Rüsch-Ganahl-Werken 1905 folgten wirtschaftlich schwierige Zeiten. Die Arbeitsbedingungen waren hart – elf Stunden Arbeit am Tag, schlechte Luft, wenig Licht, miese Bezahlung. 1910 kam es zum bis heute längsten Lohnstreik der Vorarlberger Geschichte: 13 Wochen lang ruhten die Maschinen.

1914 folgte das erste Liquidationsverfahren. Doch der Betrieb wurde in die Kriegswirtschaft integriert – Granatenteile und andere Rüstungsgüter hielten die Produktion aufrecht. Nach dem Ersten Weltkrieg sorgten Aufträge im Bereich der Stromversorgung vorübergehend für Erholung, doch wirtschaftlich blieb es prekär.

Rüschwerke
Die heutige inatura.Stadtarchiv Dornbirn

1928 wurde das Unternehmen erneut liquidiert und vom Industriellen Max Wehinger übernommen. In der NS-Zeit produzierte der Betrieb erneut Rüstungsgüter – unter schwer belasteten Umständen. Etwa ein Drittel der Belegschaft bestand aus russischen Kriegsgefangenen, untergebracht in einem Lager direkt neben dem Werk – ein dunkles Kapitel, das Mahnung und Erinnerung zugleich ist.

Nach dem Krieg war der Rückstand im Turbinenbau zu groß. Die Rüschwerke verlagerten sich auf Gussaufträge, bauten automatische Webstühle und Bandsägen, die erfolgreich exportiert wurden. Doch die industrielle Blütezeit war vorbei. 1982 wurde der Maschinenbau eingestellt, 1984 auch die Gießerei – das Ende einer Ära. Die heutige inatura erinnert auch an Aufbruch und Innovation, an schwere Arbeit und dunkle Zeiten – und an eine Zeit, in der das Wasser der Dornbirner Ach nicht nur Mühlen, sondern eine ganze Region antrieb. MEC