“Die Menschen litten wirkliche Not”

Heimat / 05.08.2025 • 09:15 Uhr
Historiker Christof Thöny informiert über die Sommerausstellung dieses Jahres Im Kunstraum des Kulturzentrums Remise.
Historiker Christof Thöny informiert über die Sommerausstellung dieses Jahres im Kunstraum des Kulturzentrums Remise.Gerhard Scopoli

Im Bludenzer Kulturraum Remise wurde die Sommerausstellung eröffnet.

Bludenz Fast direkt knüpft die jüngst eröffnete Sommerausstellung der Stadt Bludenz an jene des Jahres 2020 an – “Widerstand und Verfolgung. Biographische Aspekte der NS-Diktatur in Bludenz”.

"Die Menschen litten wirkliche Not": Historiker Christof Thöny, die Bludenzer Vize-Bgm. Andrea Mallitsch und die beiden Historiker Stefan Stachniß und Dr. Franz Valandro inmitten der Sommerausstellung 2025 im Kunstraum Remise.
Historiker Christof Thöny, die Bludenzer Vize-Bgm. Andrea Mallitsch und die beiden Historiker Stefan Stachniß und Dr. Franz Valandro inmitten der Sommerausstellung 2025 im Kunstraum Remise.

Im Kunstraum Remise finden Interessierte Geschichten und Geschichte von 1945 bis 1955, Bildmaterial sowie Filmaufnahmen vom Mai 1945. “Die Franzosen hatten Militärreporter dabei mit Kameras”, erzählte Christof Thöny. In der Ausstellung gehe es um die französische Besatzung, Kontakte der Bevölkerung zur Besatzung und um die dramatischen, von Lebensmittelknappheit geprägten Monate 1945, wie er weiter ausführte. Im Laufe des Jahres 1946 sei die Rationierung auf unter 1000 Kalorien am Tag beschränkt worden. Es habe wirkliche Not geherrscht; auch Wohnungsknappheit, aufgrund der im Krieg massiv gewachsenen Stadtbevölkerung. In der Ausstellung gehe es zudem um Themen, die das Leben der Menschen in den Nachkriegsjahren geprägt hätten – die Medien, welche die Franzosen genutzt hätten, um die Demokratisierung voranzutreiben, den wieder herausgegebenen Bludenzer Anzeiger, die Heimkehrer aus dem Krieg und den wirtschaftlichen Aufschwung in den frühen 1950er-Jahren. 1956 sei die Muttersbergbahn eröffnet worden. Eine wichtige Rolle spielten in der Ausstellung die Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, betonte der Historiker.

"Die Menschen litten wirkliche Not": Die Besucherinnen und Besucher tauchten in die Zeitgeschichte der Stadt Bludenz ein.
Die Besucherinnen und Besucher tauchten in die Zeitgeschichte der Stadt Bludenz ein.
"Die Menschen litten wirkliche Not": Seit mehreren Jahren setzt das Stadtarchiv Bludenz im Kunstraum Remise eine Sommerausstellung um.
Seit mehreren Jahren setzt das Stadtarchiv Bludenz im Kunstraum Remise eine Sommerausstellung um.
"Die Menschen litten wirkliche Not": Der ehemalige Vorarlberger Landtagsabgeordnete und Bürser Bürgermeister Helmut Zimmermann (vorne) sowie Otmar Branner informieren sich in der Bludenzer Sommerausstellung 2025.
Der ehemalige Vorarlberger Landtagsabgeordnete und Bürser Bürgermeister Helmut Zimmermann (vorne) sowie Otmar Branner informieren sich in der Bludenzer Sommerausstellung 2025.

Vorgestellt wird in diesem Rahmen der 1902 geborene Alois Jeller, der als Vollwaise an einen Heimplatz gekommen war. Schließlich fand er eine Beschäftigung als Tischler in Bludenz. Nach dem “Anschluss” Österreichs 1938 bildete sich verhältnismäßig früh ziviler Widerstand gegen das Gewaltregime. Auch Alois Jeller kam mit der Widerstandsbewegung in Berührung. Gegen Kriegsende wollte diese verhindern, dass Bludenz durch die anrückende französische Armee beschossen wird. “Um eine kampflose Übergabe der Stadt gewährleisten zu können, wurden seitens der französischen Befehlshaber Taten gefordert. Diese waren besonders deshalb notwendig, weil die fanatischen Parteigänger der NSDAP in der Bludenzer Kreisleitung eine Verteidigung der Stadt forderten”, heißt es in der Ausstellung. Der “Sturm auf die Kreisleitung” der NSDAP in Bludenz erfolgte in der Nacht vom 2. auf 3. Mai 1945. 54 Männer sollen an diesem Anschlag beteiligt gewesen sein. Unter ihnen befanden sich Bahnschutzpolizisten, Polizisten, Gendarmen, Feuerwehrmänner, Bahnangestellte, Wehrmachtsangehörige, Zivilisten und fünf Zwangsarbeiter.

"Die Menschen litten wirkliche Not": Die Sommerausstellung widmet sich immer historischen Themen - heuer dem Kriegsende 1945 in Bludenz.
Die Sommerausstellung widmet sich immer historischen Themen – heuer dem Kriegsende 1945 in Bludenz.
"Die Menschen litten wirkliche Not": In der Sommerausstellung 2025 ist Alois Jeller diese Tafel gewidmet.
In der Sommerausstellung 2025 ist Alois Jeller diese Tafel gewidmet.
"Die Menschen litten wirkliche Not": In ihrer Sommerausstellung thematisiert die Stadt Bludenz das Kriegsende und das Jahrzehnt danach.
In ihrer Sommerausstellung thematisiert die Stadt Bludenz das Kriegsende und das Jahrzehnt danach.
"Die Menschen litten wirkliche Not": Die Tafel des einstigen französischen Militärquartiers im Schloss Gayenhofen (Leihgabe der Bezirkshauptmannschaft Bludenz).
Die Tafel des einstigen französischen Militärquartiers im Schloss Gayenhofen (Leihgabe der Bezirkshauptmannschaft Bludenz).

Ein tragisches Ende

Der Angriff auf die Kreisleitung begann ungefähr um Mitternacht. Nachdem die Nachricht eingetroffen war, dass Soldaten zur Verteidigung der Kreisleitung anrückten, zogen sich die Angreifer zurück. Noch am 3. Mai verließen führende Nationalsozialisten Bludenz, was der französischen Armee mitgeteilt worden war. Die verdienstvolle Tat endete für Alois Jeller tragisch. SS-Leute nahmen ihn fest. In weiterer Folge wurde er schwer misshandelt und schließlich erschossen. Die Straße, die am Bundesgymnasium Bludenz vorbeiführt, ist nach ihm benannt. “Straßenbenennungen sind das eine, aber Geschichtsvermittlung, Geschichten zu erzählen ist das andere. Dazu dienen solche Ausstellungen, Publikationen und Filme”, betonte Christof Thöny. Deshalb sei es erfreulich, dass die Stadt Bludenz jedes Jahr im Kunstraum Remise eine historische Ausstellung umsetze; die diesjährige begann mit einem geführten Spaziergang von der Brauerei Fohrenburg zum Kulturzentrum Remise, wobei Dr. Franz Valandro historische Orte vorgestellt hatte. SCO

Ausstellungsdauer: Bis 31. August 2025, Kunstraum Remise, Bludenz Öffnungszeiten: Mittwoch – Samstag, Sonn- und Feiertage von 15 bis 18 Uhr

"Die Menschen litten wirkliche Not": Die Bludenzer Vize-Bgm. Andrea Mallitsch und Dr. Franz Valandro (beide vorne) spazieren anlässlich der Eröffnung der Sommerausstellung durch die Werdenbergerstraße - im Hintergrund der Nepomukbrunnen in der Rathausgasse.
Die Bludenzer Vize-Bgm. Andrea Mallitsch und Dr. Franz Valandro (beide vorne) spazieren anlässlich der Eröffnung der Sommerausstellung durch die Werdenbergerstraße – im Hintergrund der Nepomukbrunnen in der Rathausgasse.
"Die Menschen litten wirkliche Not": Interessiert hören die Teilnehmenden am geführten Spaziergang durch die Stadt den Ausführungen von Dr. Franz Valandro, hier am Treffpunkt Brauerei Fohrenburg.
Interessiert hören die Teilnehmenden am geführten Spaziergang durch die Stadt den Ausführungen von Dr. Franz Valandro, hier am Treffpunkt Brauerei Fohrenburg.
"Die Menschen litten wirkliche Not": Geführter Spaziergang anlässlich der Eröffnung der Bludenzer Sommerausstellung - hier beim Bezirksgericht. Links im Bild ist übrigens die Skulptur Ikarus von Herbert Albrecht aus dem Jahr 1987 zu sehen.
Geführter Spaziergang anlässlich der Eröffnung der Bludenzer Sommerausstellung – hier beim Bezirksgericht. Links im Bild ist übrigens die Skulptur Ikarus von Herbert Albrecht aus dem Jahr 1987 zu sehen.
"Die Menschen litten wirkliche Not": Das Kulturzentrum Remise ist alljährlich Schauplatz der Sommerausstellung der Stadt Bludenz.
Das Kulturzentrum Remise ist alljährlich Schauplatz der Sommerausstellung der Stadt Bludenz.