Mehr als Vermittlung

AMS-Geschäftsführer Sandro Sonderegger über die aktuellen Entwicklungen am Arbeitsmarkt.
Bludenz Es sind unruhige Zeiten – gesellschaftspolitisch, ökonomisch und ökologisch. Zeiten, in denen sich Brüche am Arbeitsmarkt schneller und deutlicher zeigen als noch vor wenigen Jahren. Sandro Sonderegger, Geschäftsführer des AMS Bludenz, erlebt diese Entwicklungen täglich. Sein Aufgabenbereich ist entsprechend breit gefächert: von Personalverantwortung, Mitarbeiterentwicklung und Controlling über Beschwerdemanagement bis hin zur Umsetzung arbeitsmarktpolitischer Ziele. Dennoch nimmt er sich bewusst Zeit für Gespräche mit Kunden und Kundinnen um, wie er sagt, „den Bezug zur Basis nicht zu verlieren“. Der Arbeitsmarkt im Bezirk Bludenz ist angespannt. Auf die wirtschaftlich starken Jahre 2018 und 2019 folgte mit der Corona-Pandemie ein massiver Einbruch, insbesondere im Bereich des Tourismus. Zwar erholte sich die Region erstaunlich schnell, 2022 und 2023 waren gute Jahre, doch aktuell zeigt die Kurve wieder nach unten. Sandro Sonderegger bleibt dennoch vorsichtig optimistisch: „Prognosen deuten auf eine leichte Erholung im nächsten Jahr hin. Große und stabile Betriebe wie etwa die Firma Getzner geben Halt.“ Die Stimmung sei allerdings nicht euphorisch – ein Befund, der sich allerdings österreichweit zeige.

Fokus und Qualifizierung
Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten misst Sandro Sonderegger der Qualifizierung von Arbeitssuchenden eine zentrale Bedeutung bei. Schulungen seien wichtiger denn je: „Dabei geht es nicht nur um das Absolvieren einzelner Kurse, sondern um nachhaltige Bildungsprozesse. ‚Lernen lernen‘ ist ein Schlüsselbegriff.“ Ein Schwerpunkt liege auf der Sprachförderung, insbesondere Deutsch, sowie auf der Vermittlung digitaler Grundkompetenzen: „Für viele Arbeitssuchende ist das Ausfüllen von online-Bewerbungsunterlagen schon eine Herausforderung. Aber auch unser Angebot wird sukzessive immer weiter digitalisiert. Uns ist es jedoch ein Anliegen, allen eine entsprechende Unterstützung zu bieten.“ Besonders betroffen von Arbeitslosigkeit sind Langzeitarbeitslose, ältere Personen sowie Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Sehr häufig überlagern sich jedoch die jeweiligen Benachteiligungen. Hinzu kommt seit der Corona-Pandemie ein deutlicher Anstieg psychischer Belastungen bei Jugendlichen. Das AMS Bludenz setzt hier auf längerfristige Angebote zur Stabilisierung und Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt oder die Lehre. Für Sandro Sonderegger steht die Arbeit mit Jugendlichen sehr zentral: „Jugendliche haben ihre Zukunft noch vor sich. Alles, was man hier nicht investiert, rächt sich später.“

Nah am Menschen
Prioritäten zu setzen ist in Zeiten sinkender Budgets und steigender Arbeitslosigkeit eine tägliche Herausforderung. Wo das AMS nicht direkt helfen kann, greift ein dichtes Netzwerk aus Partnerorganisationen. Ebenso wichtig ist die enge Zusammenarbeit mit den Betrieben in der Region. Gerade bei Wiedereingliederungen brauche es manchmal Überzeugungsarbeit: „Wir wollen Menschen nicht nur ‚hinzuschicken‘, sondern Betriebe dafür zu gewinnen, jemandem eine echte Chance zu geben.“ Aber auch die Jobvermittlung selbst befindet sich im Wandel. Neue, kompetenzorientierte Plattformen sollen flexibler gestaltet werden und Quereinstiege erleichtern. Eine vollständige Automatisierung der Beratungen hält Sandro Sonderegger jedoch für unrealistisch: „Die jeweiligen Lebenslagen der Menschen sind einfach höchst unterschiedlich. Für uns ist es wichtig, nah am Menschen zu bleiben und diese ganz individuell, ihren Bedürfnissen entsprechend, zu beraten.“ BI
zur person
SANDRO SONDEREGGER
GEBOREN 13. April 1986 in Bludenz
FAMILIE Verheiratet mit Rosa
WOHNORT Bludenz
BERUFLICHER WERDEGANG AHS-Matura, Zivildienst bei der Lebenshilfe, IFS Spagat, Jugendberatung beim AMS Bludenz, seit 2022 Geschäftsführer des AMS Bludenz
HOBBYS Tischtennis, Tennis, Groundhopping (Hobby für Fußballfans, bei dem es darum geht, möglichst viele verschiedene Fußballstadien zu besuchen und Spiele dort zu erleben)
LEBENSMOTTO Werte kann man nicht lehren, sondern nur vorleben