Drei Vereine. Zwei Häuser. Ein Dorf.

Eine einfache Formel mit großer Wirkung! Was Baukultur beim einträchtigen Zusammenrücken einer Berggemeinde für eine Rolle spielen kann und wie daraus ein Gemeinschaftswerk wird, lässt sich am Beispiel des Vereinshauses in Fontanella eindrücklich nachvollziehen. Autorin: Marina Hämmerle | Fotos: Darko Todorovic
indrücklich nachvollziehen lässt es sich vor allem dann, wenn man mit den handelnden Personen ins Gespräch kommt. Die entspannte Samstagvormittag-Atmosphäre mit den Bauverantwortlichen der drei tonangebenden Vereine im Ort mag mit dem „Musigball“ der vergangenen Nacht zusammenhängen – „Guguuus!?“. Die kollegiale, heitere Stimmung vermittelt aber auch, was an diesem Bauwerk durch Solidarität und gemeinsamer Anstrengung zusammenwachsen konnte: die Freude über das gemeinsam Geschaffene.
Trachtenkapelle, Feuerwehr und Bergrettung stellen zusammen 124 Mitglieder, gar 26 Musikantinnen beleben die Trachtenkapelle, insgesamt repräsentieren die Vereinsmitglieder rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung von Fontanella. Man singt und spielt gerne in der Walsersiedlung unterm Faschinajoch, das läge im Blut, so Bürgermeister Werner Konzett. Darüber hinaus engagieren sich viele als Florianijünger und Sommer wie Winter beim Einsatz am Berg.
Der langgehegte Wunsch, die auf mehrere Standorte verteilten, unzureichenden Probe- und Schulungsräumlichkeiten, Einstellhalle und Geräteräume gegen ein zentrales Gebäude zu tauschen, sollte 2016 Wirklichkeit werden. Durch vorausschauende Bodenpolitik sicherte sich die Gemeinde schon Jahre zuvor die in Dorfmitte gelegenen Grundstücke der alten Sennerei und der desolaten Seilbahnstation zum Seewaldsee. Man einigte sich auf ein Raumprogramm, überzeugte die Fördergeber beim Land von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des gemeinsamen Anliegens und bekam entsprechende Unterstützung zugesichert. So würde ein neues, gemeinsames Haus immerhin von einem Viertel der Bürger und Bürgerinnen von Fontanella genutzt werden. Das stärkt den dörflichen Zusammenhalt und animiert die Jugend, den Vereinen beizutreten.
Beim geladenen Wettbewerb konnten Gohm Hiessberger Architekten als einzige mit einer verblüffenden Lösung aufwarten: Die von allen erwartete große bauliche Geste wurde von ihnen in ein Ensemble umgemünzt, bestehend aus zwei Häusern mit dazwischenliegendem Hof und zwei Eingangsniveaus. Mit großem Selbstverständnis sind die zwei Baukörper in das steile Gelände eingebettet, passen sich mit ihren Satteldächern in Größenordnung und Höhe in dem umgebenden Baubestand innerhalb der Kehre an der Pass-Straße ein. Vom Berg kommend zeichnen die Häuser mit den angrenzenden Bauten eine feine, auf- und absteigende Panoramalinie Richtung Kirche, eröffnen den Blick zum Bergpanorama der anderen Talseite. Bergseitig wirken die Häuser nur mit eineinhalb Geschoßen modest und nahezu privat.
Auch die Vorzone ist sensibel modelliert, den Schnittstellen zum öffentlichen Raum wurde viel Aufmerksamkeit geschenkt. Die im Inneren geschickt verwobenen Funktionseinheiten lösen ihr Zusammenspiel in den separaten Zugangswegen, der talseitige Hof erlaubt Blickbeziehungen. Im Haus Osten musiziert die Trachtenkapelle über der Einstellhalle der Feuerwehr, im Haus Westen teilen sich Bergretter und Feuerwehr die Kommandozentrale auf Hofniveau, stapeln sich ihre Schulungs- und Mannschaftsräume in jeweils einem Stockwerk aufeinander. Die in den Hang geschobenen Bauteile sind in Beton gegossen, das verdeutlichen auch die bergseitigen Giebelfassaden. Der Rest ist als hochgedämmter Holzelementbau ausgeführt, ein feiner Holzschirm aus stehenden Leisten ummantelt die Baukörper, große Fensterbänder holen die Bergwelt ins Innere.
Mit ihrem Entwurf haben die Architekten den Rahmen gesteckt und das gewünschte Raumprogramm in ortsverträgliche Volumen hineinkomponiert. Sie lieferten quasi die Partitur der Sinfonie. Die Vereinsmitglieder werden zu Interpreten, erst durch ihre Phrasierungen wird aus den Noten Klang. So machten sich die Mitglieder das Bauwerk zu eigen, indem sie Hand anlegten und mitgestalteten, zumeist in Abstimmung mit den Architekten. Der gesamte Innenausbau an Weißtannetäfer, Riemenböden und Deckenleisten, sowie viele andere Arbeiten wurde von kundigen Mitgliedern übernommen. Es wurde geschreinert, gebaut, verrohrt, lackiert, verfugt – Vertreter fast aller Gewerke sind unter den 124 Personen zu finden, da ist es ein leichtes, für die Verantwortlichen der drei (!), den Vereinen zugeordneten Bauausschüssen jeweils die passenden Personen einzuteilen. Tausende Arbeitsstunden wurden ehrenamtlich oder gegen reduzierte Aufwandsentschädigung in Summe geleistet. Nur so konnte der knappe Kostenrahmen dem gewünschten Raumprogramm entsprechen. Bei den Fliesen-
arbeiten kam ein Lehrlingsprojekt zum Einsatz, die Rohbauarbeiten wurden durch einen externen Bauleiter begleitet – in Summe ein konzertiertes Miteinander. Die Trachtengruppe entlockte ihrem Bauteil sogar noch einen Notenraum im Giebel, der so nicht vorgesehen war. Aus dem Foyer wurde kurzerhand eine Schank mit Sitzecke – ein wenig „Stüble“ sollte es dann doch sein.
Drei Vereine. Zwei Häuser. Ein Dorf. Und was das Ganze zusammenhält? Architektur mit Sinn für den Ort, für die Menschen und ihr Tun. Menschen die Verantwortung übernehmen, sich Räume aneignen und mitgestalten. Das wird an diesem gemeinsam geschaffenen und getragenen Bauwerk deutlich. Das ist der Kitt unserer Gesellschaft und darin erschließt sich auch die Bedeutung der Baukultur. Wenn sich alle daran erfreuen und den Mehrwert des neuen Dorfelementes spüren, macht sich Aufbruchstimmung breit – Fontanella ist definitiv um ein Stück Identität reicher.
Wir spüren Aufbruch-stimmung in Fontanella.Über die gemeinsame Arbeit am Gebäude sind wir ein Stück weiter zusammengewachsen und die Jungen machen mit.

Bauteam: E. Türtscher, Trachtenkapelle, D. Domig, OBM. Bergrettung, K. Burtscher, FKDT. a. D., M. Konzett, OBM. a. D. Trachtenkapelle, W. Konzett, BGM.

Übersicht Talseitig liegen am dazwischen situierten
Hof die gemeinsame Kommandozentrale von Feuerwehr und Bergrettung und vis-à-vis die Einstellhalle der Einsatzfahrzeuge. Die verglasten Erdgeschoßräume garantieren Übersicht und Koordination.

Der windgeschützte Hof eignet sich auch für Dorffeste – bei der Eröffnung war das ganze Dorf auf den Beinen und die Trachtenkapelle spielte erstmals vor ihrem neuen Gemeinschafts-Haus.

Der Blickfang Standartenvitrine ziert den bergseitigen Zugang zu den Schulungsräumen – Treppauf zur Bergrettung, treppab zur Feuerwehr.

Im hellen Dachraum mit Blick nach Süden, Medien-
infrastruktur vom Feinsten und flexiblem Mobiliar
pflegen Bergretter Austausch und Weiterbildung.

Klingt die Trachtenkapelle so gut wie ihr Raum verarbeitet ist, kommt Freude auf. Weißtanne an Boden, Wand, Decke wurde auch hier in Eigenleistung angebracht.

Mit der integrierten Küche eignet sich der Feuerwehrmannschaftsraum bestens für verschiedene Settings wie Seminare, Schulungen und Geselliges.

Durchblick Bergseitig bilden die massiven Giebelwände das in den Hang geschobene, betonierte Volumen ab. Die Aufteilung des Raumprogramms auf zwei Häuser ermöglicht separate Zugänge zu den beiden Häusern und eröffnet den freien Durchblick auf das gegenüberliegende Bergpanorama.

Einfügung Mit großem Selbstverständnis sind
die zwei Baukörper in das steile Gelände eingebettet,
passen sich mit ihren Satteldächern in Größenordnung
und Höhe in dem umgebenden Baubestand ein.

Roh und authentisch sind die dem Berg abgerungenen Räume für Garderobe und Technik; Feuerwehrrot,
Betongrau und Epoxigelb
im Einklang.