„Wir sind fünf Alpha-Tiere“

Karriere / 01.03.2024 • 12:17 Uhr
Dünser Stefan
Stefan Dünser (56) ist Trompeter, Musikvermittler und Pädagoge. Katharina Münst

Er ist seit 30 Jahren Mastermind beim internationalen Blechbläserensemble „Sonus Brass“.

GÖTZIS 1994 haben fünf junge Vorarlberger Musiker unter Anleitung des Trompeters Stefan Dünser beschlossen, ein Blechbläserquintett zu gründen. „Sonus Brass“ sollte es heißen, und für immer und ewig sollte es halten oder gar nicht. 30 Jahre sind da schon eine halbe Ewigkeit, gefeiert wird am 9. März im Theater KOSMOS und am Donnerstag, 18. April im Kulturhaus in Dornbirn. Und aus der Idee wurde rasch ein Projekt, das in seiner Strahlkraft und Eigenständigkeit im internationalen Kulturleben wohl einzigartig ist. Und das sich seine besondere Ausstrahlung auch bewahrt hat, als im Laufe der Jahre drei der fünf Mitglieder ohne Reibungsverluste ausgetauscht wurden. Neben dem Tubisten Harald Schele verblieb Gründer Stefan Dünser wie ein Fels in der Brandung als ideenreicher Mastermind erhalten, der Kopf von „Sonus Brass“, menschliches und musikalisches Bindeglied zwischen unterschiedlichen Charakteren, Ansichten und Experimenten. Das wurde auch zur Hauptbetätigung dieses vielseitig gefragten Musikers, der dabei noch Musikschullehrer ist, Mitglied der „Schurken“, Autor des 14-bändigen meistverkauften instrumentalen Lehrwerks im deutschen Sprachraum, 20 Jahre lang Solotrompeter im SOV und als Ehemann und Vater auch noch ein Privatleben hat.

Sonus Brass Ensemble
„Sonus Brass“ wurde 1994 unter Anleitung des Trompeters Stefan Dünser gegründet. Sonus Brass

Das ist unglaublich – wie bringt man das alles unter einen Hut?
DÜNSER Wenn man solche Dinge macht, die einem zu wirklichen Herzensanliegen geworden sind, dann hat man auch endlos Energie dafür. Und in Vorarlberg, diesem wunderbaren Land mit viel Potenzial wirken zu können in Aufgaben wie „Sonus Brass“, ist ein unglaubliches Privileg. Gerade die Musikvermittlung, der Kernpunkt unserer Arbeit, ist für uns zu einem Kreativzentrum geworden, dem wir uns mit endlos viel Kraft und Leidenschaft widmen.

Wie hält man das musikalische Niveau auf diesem Level, wenn sich bei einer Truppe im Laufe von 30 Jahren drei der fünf Musiker verabschieden? Geht da nicht etwas von der eigenen Identität verloren?
Unser Ensemble ist wie eine Bruderschaft. Da ist eine große menschliche Nähe vorhanden, und nur so kann auch eine musikalische Verbindung entstehen. Und es ist bei allen der gleiche Geist vorhanden, sich menschlich und musikalisch bis zum Gehtnichtmehr weiterzuentwickeln. Wir haben immer solche Leute gesucht, die diese Bereitschaft dazu hatten.

Sonus Brass Ensemble
Attila, Zoltán, Jan, Harald und Stefan. Sonus Brass

Liegt darin die unglaubliche musikalische Qualität begründet, die man Euch überall attestiert?
Auch wenn wir an Hotspots spielen, wird uns immer wieder eine besondere Qualität zugesprochen, es kommt regelmäßig zu Wiedereinladungen. Unser Ziel ist aber nicht die absolute handwerkliche Perfektion, die ist nicht erreichbar, sondern der Versuch, musikalisch so authentisch zu sein wie nur möglich. Es sind immer die Klangfarben, die wir produzieren, und es ist das Arbeiten in die Tiefe bei den Proben, das wir lieben. Wir nehmen uns für ein neues Werk eine unbestimmte Zeit – so lange, bis von allen ein „Ja!“ kommt.

Und Eure Wurzeln liegen in der Blasmusik?
Nein, wir kommen hauptsächlich aus der Klassik, sind vor allem begeisterte Orchestermusiker mit moderner Musik und einem leichten Hang zu Jazz und Popularmusik. Das ist einfach diese Musik, die sich schon bewährt hat. Wir haben aber auch bereits 25 Auftragswerke an lebende Komponisten vergeben. Schon in der Vergangenheit war die Auseinandersetzung mit Werken von damaligen Starkomponisten wie Gerold Amann und Gerald Futscher für uns ein Kick-off. Aber wir haben gemerkt, ein Ensemble muss zwar authentisch, aber auch marktwirtschaftlich überlebensfähig sein und haben den Anteil an Neuer Musik dosiert. Bei unserem Jubiläum werden zwei Auftragswerke von Johannes Bär und Murat Üstün uraufgeführt.

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Musikdramaturgie ist bei Eurer Entwicklung zu einem ganz entscheidenden Faktor geworden?
Ja, spannende Programmkonzepte sind bei unseren Konzerten heute fast die halbe Miete. Beim „Allegro-vivo“-Festival kürzlich waren die Leute begeistert, weil sie erstmals nach 20 Jahren diesen Blechbläserklang erwartet und von uns nicht bekommen haben, inspiriert auch durch unseren absolut kammermusikalisch versierten neuen Hornisten Zoltán Holb.

Besonders wichtig waren Euch auch immer wieder neue, eigene Musiktheater-Produktionen als eine Art der Musikvermittlung für Euer Publikum?
Wir nennen das „Inszenierte Konzerte für junges Publikum“. Die Ideen dazu, das Story-Board, das Team, die Produzentensuche, das Marktwirtschaftliche kam mit einer Ausnahme immer von mir, bei der Ausarbeitung haben dann alle mitgewirkt. Unser Programm „Die Blecharbeiter“ zum Beispiel wurde im gesamten deutschen Sprachraum 500-mal gespielt, und die Buchungen reißen nicht ab. Das ist ein gewaltiger Rekord, der uns auch an Topplätze wie die Elbphilharmonie geführt hat. Für „Rocky Roccocco“ mit einem Spagat zwischen Barock und Rock haben wir einen tollen Preis erhalten, „Die Verblecherbande“, wo eine Notenbank ausgeraubt wird, wurde von den Bregenzer Festspielen produziert. Das neueste ist eine pantomimische Story für alle Altersklassen, die „Schafgeschichte“, für die wir einen internationalen Profi-Regisseur engagiert haben.

Wie kann man als Vorarlberger Ensemble auf dem internationalen Markt Fuß fassen?
Wir arbeiten auch mit drei Agenten zusammen, die uns Auftritte verschaffen. Aber insgesamt ist es natürlich auch unsere Akquise, die uns zu so attraktiven Auftritten wie im Brucknerhaus Linz, in Dresden, beim Lucerne Festival etc. verhilft. Die werden auch ordentlich honoriert. Die Gagen kommen wie bei einer kleinen Firma in einen Pool, aus dem jeder von uns ein schönes Monatsgehalt bezieht, das wir natürlich auch versteuern. Wir arbeiten ganz ohne öffentliche Förderungen und vorwiegend ohne Sponsoring.

Wie erlebt man emotional diese unzähligen strapaziösen Auftritte, Proben, Tourneen mit „Sonus Brass“ als Mensch, als Musiker?
Wir sind fünf Alpha-Tiere, aktuell der Attila, der Zoltán, der Jan, der Harald und ich – Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und wir kämpfen manchmal arg. Aber man lernt, sich einander vollkommen zu öffnen und jeden so zu respektieren, wie er ist. Da gibt es Momente nach Konzerten, wo man sich schwitzend und heulend in die Arme fällt. Es ist diese Leidenschaft, die man miteinander teilt, und das gibt einem die Sicherheit und Lebensfreude, dass man darüber auch die Strapazen eines 12-Stunden-Tages plus drei Stunden am PC glatt vergisst. Es ist einfach nur schön, schön, schön!

FRITZ JURMANN

Festabend mit Konzert „30 Jahre Sonus Brass“

9. März, ab 19.00 Uhr, Bregenz, Theater KOSMOS; Wiederholung 18. April, 19.30 Uhr, Dornbirn, Kulturhaus

ZUR PERSON
STEFAN DÜNSER
GEBOREN 1968 Bludenz, wohnhaft in Götzis
AUSBILDUNG Landeskonservatorium Lehrdiplom (Lothar Hilbrand), Musikuniversität Basel Konzertdiplom (Edward Tarr)
TÄTIGKEIT 1992 bis 2012 Solotrompeter im SOV, Gründer und Mitglied im Sonus Brass Ensemble und bei den „Schurken“, international tätig als Juror, Kursleiter und Coach
AUSZEICHNUNGEN Siegerprojekt mit „Die Blecharbeiter“ beim Int. Find-it-Award 2004, YEAH! EARopean Award für Sonus Brass
FAMILIE verheiratet, drei Kinder