Ein Lichtmagier zwischen Kunst und Kamera

Seit Kindertagen vertraut. Seine Skulpturen „Frame Sculptures“ sind Verspannungen aus Stickergarnen in einem Alurahmen. Je nach Lichteinfall ist in dem magischen Garnlabyrinth ein Buchstabe zu erkennen, der das gedankliche Gerüst des Bildhauers bildet.
Vater Textilmanager. Mutter Model und Malerin. Der Blick fürs Schöne hat im Elternhaus von Marc Lins (49) die Allgegenwart der Schwerkraft.
Der Schüler Marc Lins ist unauffällig. Am Fuße des Walserkamms liegt auf einer Höhe von 496 Meter über dem Meer die Gemeinde Satteins. Dort besucht Marc Lins die Volks- und Hauptschule. Von der HAK in Feldkirch wechselt er in die HTL nach Dornbirn. Die dreijährige Ausbildung als Wirker & Stricker schließt er erfolgreich ab. Danach verlässt er die textilen Fußstapfen des Vaters und heuert als Lehrling im Fotostudio Rhomberg an. „Das visuelle Verständnis flammte plötzlich auf.“
Der Lehrling.
1993 beginnt Marc Lins mit der Ausbildung zum Fotografen. Auf die abgeschlossene Lehre folgen ab 1996 Praxisjahre im europäischen Ausland. Den Fokus richtet der Schöngeist auf Mode und Fotografie. Prägende Erfahrung sammelt er als Assistent einschlägiger Fotografen, etwa in Mailand, Florenz, München und Hamburg. Dann lockt New York.
Der Freiberufler.
Als Marc Lins am 21. Juni 1999 in New York ankommt, will er es wissen: Stimmt das, was Frank Sinatra seit 20 Jahren im legendären Song „New York, New York“ behauptet? „If I can make it there, I´ll make it anywhere.“ Zuerst dockt der Satteinser im Big Apple bei Österreichern an. Davon gibt es einige in New York in der Mode-, Kunst- und Medienbranche. Mit Philipp Hämmerle aus Lustenau entwickelt er zum Beispiel Set Designs. Er jobt als Assistent von Mode- und Architekturfotografen, bevor er eigene Strecken für Magazine und Images für Kunden aus den Bereichen Architektur und Kunst fotografiert. Parallel zur Fotografie richtet er einen Fokus auf Underground Musik. In dieser Szene tritt er gemeinsam mit Bruder Oliver als Eventveranstalter, Raumgestalter, Projektions- und Lichtmagier auf. Ohne geballte Energie für eine breit gefächerte Umtriebigkeit ist das Überleben für Newcomer in New York schwer. „Der Druck, sich in eine aussichtsreiche Stellung für Aufträge und Jobs zu bringen, ist Teil dieser Stadt. Wenn man etwas erreichen will, muss man zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit sein, den Schalter umzulegen und zu funktionieren.“ Bis 2012/13 hat Marc Lins seinen Hauptwohnsitz in New York.
Der Europäer. In den New Yorker-Jahren stellt Marc Lins fest, dass er Europäer geblieben und kein Amerikaner geworden ist. In der Zeitspanne von rund zwölf Jahren zügelt er aus dem East Village von Manhattan ins multikulturelle Williamsburg in Brooklyn. Dort wohnt er zeitweise auch in Bedford-Stuyvesant und Clinton Hill. In der Freizeit arbeitet er an eigenen Kunstobjekten, macht mit dem Fahrrad Erkundigungen in allen Vierteln von New York, sammelt Impressionen in einer Stadt, die bekanntlich nie schläft. Der Europäer Marc Lins freut sich darauf, wieder ruhiger zu schlafen. Seine Homebase wird die Ostschweiz. Beruflich bleibt er mit New York verbunden. Ab 2019 wird Barcelona ein weiterer Aktionsplatz.

Alpe Furx. Baumschla-ger Eberle Architects –Furx, Österreich. (li.)
Der Bildhauer.
2007 beginnt Marc Lins in New York mit der Entwicklung seiner „Frame Sculptures“. Die bildhauerischen Mittel sind Garne, Aluminium und Stahl. Die geeigneten Garne für lineare Verspannungen findet er im Repertoire der Sticker. Stickergarne bieten die größte Farbauswahl. Sein skulpturales Gerüst sind Buchstaben aus dem Alphabet. Er beginnt diese Serie mit dem Z. 2020 kommt das X dazu. B ist in Arbeit.
Der Portraitist.
Kurz nach der Rückkehr aus New York erscheint 2013 ein Bildband mit 100 Farbportraits von Feldkircherinnen und Feldkirchern. „Mensch Feldkirch“. Marc Lins fotografiert Menschen in ihrem alltäglichen beruflichen Umfeld. In der Apotheke, auf einer Baustelle, im Geschäft, . . . in Kirche und Kloster. Seit einigen Jahren arbeitet er an einem weiteren Bildband, in dem er die Menschen in ihrer Freizeit am Neusiedlersee und „das Meer der Wiener“ zu allen seinen Jahres-, Trocken- wie Sturmzeiten porträtiert. Die schicksalhafte Wechselbeziehung von Mensch und Natur verspricht ein spannendes Dokument von künstlerischer Ästhetik.
Der Architekturfotograf. Seine Bilder von Architekturen in Stadt und Land, in den Bergen wie auf Wiesen bestätigen das Gefühl des Fotografen für grafische Klarheit, unabhängige Authentizität, stille Poesie. Der Schöngeist mit der Kamera bildet private wie profane Bauten als unverwechselbare, selbstbewusste Skulpturen ab, die in ihrem Umfeld als Solitäre positioniert sind.
Der Editor.
Mit der Edition „Flying Sails“ betritt Marc Lins den Kunstmarkt mit Acrylglasdrucken. Legendäre Sujets bietet die Regatta „Les Voiles de Saint-Tropez“ mit über 300 der schönsten Luxusyachten im Hafen von Saint-Tropez. In der digitalen Bearbeitung entstehen illusionäre Bilder, in denen die von Schiffsrumpf, Masten und Takelagen befreiten Segel übers Meer fliegen und in den azurblauen Himmel abheben. „Invisible Pole“ ist eine weitere Editionsserie und als Work in Progress angelegt. Marc Lins befreit Arme, Beine, Köpfe der Artisten an der Pole Stange von ihren Körpern. Das Ergebnis ist ein neues Vokabular der Sportart Pole Dance, das schwerelos im Raum schwebt und gleich einem Puzzle zusammengefügt werden kann.
Der Teamplayer.
Vor 25 Jahren gründen seine beiden älteren Brüder Oliver und Alexander die Agentur Olex Design. Zum Full Service-Konzept gehören u. a. Webdesign und Entwicklung, E-Commerce, Grafik, Branding, Corporate Design. Marc Lins ist zusammen mit Sarah Aberer im Team dieser Designagentur, die in Europa wie in Amerika aktiv ist. Aktuell pendelt Junggeselle Marc Lins zwischen Zürich–Barcelona–Vorarlberg–Wien . . . to make it anywhere.
Text: Elisabeth Längle
Fotos: Marc Lins Photography