Der Kampf hört nie auf
Es war beeindruckend, was uns nun ein Jahr lang in Sachen Reformation geboten wurde. Das Jubiläum war nicht nur darauf angelegt, die evangelischen Kirchen zu feiern, sondern vielmehr darauf, sich kritisch mit der Religion und mit ihrem „Stifter“ Martin Luther auseinanderzusetzen. Ganz besonders am vergangenen Wochenende, als sich der Anschlag der 95 Thesen, die vor allem den Ablasshandel der katholischen Kirche anprangerten, von Martin Luther an der Kirche zu Wittenberg zum fünfhundertsten Mal jährte. Das Verhältnis zur katholischen Kirche hat sich inzwischen ja grundlegend verändert, wie auch die Jubiläumsveranstaltungen gezeigt haben. Da standen Katholische und Evangelische brüderlich nebeneinander. Die Ökumene hat also doch schon etwas gegriffen.
Martin Luther wollte keine neue Kirche schaffen, sondern die katholische Kirche reformieren. Das aber war zu damaligen Zeiten, in denen der Papst mehr weltlicher Fürst als religiöser Führer war, fast unmöglich. Immerhin aber wurde Luther nicht, wie viele seiner Vorgänger, auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Bei Luther war die Zeit reif, er wurde nicht zuletzt von den Landesfürsten unterstützt, die die Macht des Papstes in Deutschland zurückdrängen wollten. Dass Luther nach dem Reichstag in Worms, auf dem er seine Lehre nicht widerrief, „entkommen“ konnte, dankte er seinem Landesherrn, der ihn in Sicherheit bringen ließ.
Interessant ist die – theoretische – Frage, was Luther heute tun würde. Ich denke, er würde vor allem etwas gegen die heutigen Reichen, die mehr als nur Ablassgelder eintreiben, unternehmen. In seiner 45. These sagt er: „Wer einen Bedürftigen sieht, ihn übergeht … handelt sich den Zorn Gottes ein.“ Heutige Wirtschaft und oft auch heutige Politik und Kirchen übergehen eben diese Bedürftigen, sie stehen zu oft auf der Seite der Mächtigen, der Reichen, der Konzerne. Gegen diese fünf Prozent, denen mehr als die Hälfte der finanziellen Werte der Welt gehören, gegen diese würde Luther predigen und Thesen anschlagen. Vielleicht sogar an der Seite des heutigen Papstes, der dringend Hilfe im Kampf gegen die Armut brauchen könnte. Luther würde nicht mehr nur in den Kirchen, sondern vor allem in den sogenannten sozialen Medien, im Internet, seine Thesen verbreiten. Er würde die Superreichen verfluchen und bekämpfen. Aber das sind, wie gesagt, theoretische Überlegungen. Luther war vor fünfhundert Jahren. Heute gibt es keinen wie ihn. Leider!
„Gegen diese fünf Prozent, denen mehr als die Hälfte der finanziellen Werte der Welt gehören, gegen diese würde Luther predigen und Thesen anschlagen.“
Walter Fink
walter.fink@vn.at
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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