Frische Auseinandersetzung mit Idylle und Kritik

Kunstforum Montafon: Acht zeitgenössische künstlerische Positionen beleuchten das Thema Sommertourismus.
SCHRUNS “Eisbären müssen nie weinen” hat die Schweizer Band Grauzone in den 1980ern gesungen. Angesichts der Arbeit des Grazer Künstlerduos zweintopf, das durch die Beigabe von Eisklötzen die Skulptur eines Bären im öffentlichen Raum in einen Eisbären verwandelt, weiss man nicht, ob man aufgrund des künstlerischen Witzes dieses minimalinversiven Eingriffs lachen oder ob der Tragik des Bären, dem das Eis zwischen den Pranken schmelzt, weinen soll. Dieser zwiespältige Eindruck zwischen Idylle und Kritik stellt sich auch bei einigen anderen Werken in der Ausstellung “Sommerfrische” im Kunstforum Montafon ein.
Wollig warm
Denn entgegen des charmant-verstaubten Begriffs sind die in der alten Schrunser Lodenfabrik versammelten Positionen österreichischer Gegenwartskunst allesamt aktuell und nah am Zeitgeist. Auch das Werk “Sommerfrische Winterwärme” von Markus Hiesleitner evoziert arktische Temperaturen und hat die touristischen Begleiterscheinungen unserer Gegenwart im Visier. Mächtig wie eine Glocke hängt Hiesleitners schafwollenes Iglu von der Decke. Vor Ort gefilzt aus Wolle vom Montafoner Steinschaf sind im Inneren der Behausung herzerwärmende Aufnahmen von Sommerfrischlern um die Jahrhundertwende zu sehen. Die kleinformatigen Bilder erinnern an eine Zeit, als die Sommerurlauber auch dem Montafon weit höhere Nächtigungszahlen bescherten als der viel jüngere Wintertourismus. Dass die Natur allein aber schon längst nicht mehr reicht und ständig neue Attraktionen hermüssen, lässt sich auch von den Fotoarbeiten von Michael Goldgruber ablesen. Seine Fotoserie “Look Out Constructions” befasst sich mit der Vereinnahmung und Medialisierung von Landschaft und zeigt spektakuläre Aussichtsplattformen, hoch auf dem Berg oder am Rande einer riesigen Staumauer.
Landpartie
Während Michael Strasser mit Tapes und schwarzer Acrylfarbe, bildverneinend und gleichzeitig die Sehnsucht nach Bildern stillend, zarte Reliefs auf die Leinwand zaubert, zeigt Maria Bussmann miniaturhafte Wandobjekte aus Papier, Draht, Faden und Farbe. Ihre fragilen Konstrukte ermöglichen einen neuen Blick auf Berglandschaft, einen Wasserfall oder die Schwimmer in einem Schwimmbad. Zwitterwesen und tierische Urlauber als Metaphern für menschliche (Un)Arten bevölkern Gemälde wie die “Landpartie” von Deborah Sengl, und auch die Werke des Wiener Künstlerduos Hanakam & Schuller sind häufig Gestaltwandler, die ihre Form verändern und in unterschiedlichem Kontext erscheinen. In Schruns fröhnen die beiden ihrem Faible für angewandte Kunst und präsentieren überarbeitete Fotografien von Porzellanfiguren berühmter Manufakturen wie Meissen. Die Aneignung von Raum liegt der Wandinstallation “Space Adventures” von Micha Payer & Martin Gabriel zugrunde. Zusammengehalten wird das vielteilig-multimediale, assoziative Ensemble durch das Thema “Schmelzen”. Ein hin- und her-Switchen zwischen Tapete, Zeichnungen und Objekten eröffnet ein ganzes Panorama und ist Sommerfrische für Augen und Gedanken zugleich. Ariane Grabher
Die Ausstellung ist im Kunstforum Montafon, Kronengasse 6, in Schruns, bis 4. August geöffnet, Di. bis Fr. sowie So. von 16 bis 18 Uhr.