Wie ein Künstler das Thema Mundschutz aufgreift

Kultur / 01.04.2020 • 22:00 Uhr
Wie ein Künstler das Thema Mundschutz aufgreift
Akt von Edgar Leissing. ANGELA HENNESEY

Edgar Leissing zeichnet gegen die Krise an, und zwar ohne Feigenblatt, aber mit Mundschutz.

BREGENZ. Ein Feigenblatt, um delikate Körperstellen zu verdecken? In Zeiten der Krise ist alles anders. Schutzmasken sind das begehrteste Attribut der Stunde und der Fokus hat sich auf ganz andere Körperregionen, die es aus gutem Grund zu schützen gilt, verlagert. Das ist aber nur ein Umstand, unter dem die neue Werkserie “Coronaquarantäne” des Bregenzer Künstlers Edgar Leissing (59) ihren Anfang genommen hat.

Der eigentliche Auslöser für die Reihe war ein Facebook-Posting der Marke Vorarlberg und ein Kommentar dazu von Leissings Frau Angela: Den Appell, im Land zu konsumieren und zu urlauben und damit heimische Unternehmen zu unterstützen, ergänzte des Künstlers bessere Hälfte mit “Und kauft Kunst von Vorarlberger Künstlern!”, denn auch Kunst kann online gehandelt werden. Gesagt von ihr, getan von ihm, so entsteht seit dem 21. März jeden Vormittag eine neue Aktzeichnung, bei der Esche Leissing das Modell mit einem Mundschutz in täglich einer anderen Farbe versieht. “The Drawing of the Day”, die Zeichnung des Tages, wird jeden Morgen vom Künstler pünktlich wie die Zeitung ins E-Mail-Postfach gelegt  und in den sozialen Medien verbreitet. Die Vorlagen für die Blätter mit den Farbtupfern an den richtigen Stellen stammen von der Kamerapirsch, vom allwöchentlichen Aktzeichnen im Atelier oder von seinem Unterricht an der Kunstschule Liechtenstein. Beides findet in Corona-Zeiten nicht mehr wie gewohnt statt und so bedient sich Leissing derweil aus seinem umfangreichen fotografischen Archiv. Gewohnt leichthändig ist der Zeichner und Maler dabei wieder in seiner Paradedisziplin unterwegs und bringt mit sicherem Strich zusammen, was nie zusammengehören sollte. Abwechselnd werden im Format 30 x 40 Zentimeter ein weibliches und ein männliches Modell gezeichnet, wobei sich Leissing von Vielfalt und Variation von Körpern, Posen und Mundschutzfarben leiten lässt. Geliefert werden die zum Pandemiesonderpreis zu erwerbenden Blätter mit Sicherheitsabstand bis zwei Meter vor die Haustür.

Edgar Leissing beim Aktmalen.
Edgar Leissing beim Aktmalen.

Selbsthilfe

Das tägliche Zeichnen als Fixpunkt im Tagesablauf sei ihm bereits liebgewordene Routine, sagt Edgar Leissing, und so etwas wie Selbsthilfe in Zeiten, in denen es Kunst- und Kulturschaffende besonders schwer haben. Was er nicht vorhergesehen habe, so Leissing, sei die kleine Lawine an Reaktionen, die seine Aktion losgetreten hat, die ihn aber sehr freue. Zumeist sehr positiv aufgenommen, reiche das Spektrum der Likes und Kommentare aber auch bis zu “Bitte aus dem Verteiler nehmen” und “Zumutung”. Auch unter den Künstlerkolleginnen und -kollegen polarisiert das Thema. Wobei Edgar Leissing ausdrücklich darauf verweist, nicht einfach Arbeiten aus dem Bestand verkaufen zu wollen, sondern aus der aktuellen Situation heraus eine eigene Serie erarbeitet, vergleichbar den 366 Blättern zur Flüchtlingstragödie vor Lampedusa. Die Coronaquarantäne-Reihe endet, sobald es Entwarnung gibt und die Ausgangsbeschränkungen fallen. Ein Ende, das derzeit noch nicht in Sicht ist. AG