Pianist Yunus Kaya: „Ich empfinde mich als Suchenden“

Kultur / 10.05.2020 • 06:00 Uhr
Pianist Yunus Kaya: „Ich sehe die Musik eigentlich nicht als Beruf, sondern als Teil meines Lebens.“ <span class="copyright">Victor marin</span>
Pianist Yunus Kaya: „Ich sehe die Musik eigentlich nicht als Beruf, sondern als Teil meines Lebens.“ Victor marin

Der Musiker Yunus Kaya strebt bei seinen Auftritten nach größtmöglicher Vielseitigkeit.

Feldkirch Von seinen beiden Neigungen als Kind, Fußball und Klavier, hat schließlich die Musik gesiegt und ist zum bestimmenden Faktor im Leben des bescheidenen Musikers geworden. Heute ist er gefragter Dozent und Korrepetitor am Landeskonservatorium in Feldkirch, Kammermusiker, Liedbegleiter und auf dem besten Weg, sich auch international als Konzertpianist zu profilieren.

Ist solche Vielfalt einer speziellen künstlerischen Weiterentwicklung nicht auch hinderlich?

Nein, denn Offenheit ist mir wichtig. Viele namhafte Pianisten beschränken sich erst viel später auf bestimmte Komponisten oder eine Zeitepoche. Kammermusik und Liedbegleitung liegen mir sehr am Herzen, da ich dadurch viel für meine künstlerische Entwicklung und das Klavierspiel profitiere. Ohnehin sollte sich ein Pianist nicht nur auf die Klaviermusik konzentrieren, sondern sich von vielen verschiedenen Gattung inspirieren lassen. Mein Ziel ist es, möglichst vielseitig zu sein, mit einem breiten Repertoire vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik, wie zuletzt etwa im Klavierstück „Bis ich ruhe in dir“ von Marcus Nigsch. Ich möchte mir einen Überblick verschaffen und Vergleiche ziehen.

Sie haben sich auch intensiv mit den Wurzeln der Musik Ihrer türkischen Heimat befasst?

Ja, ich habe über die Entwicklung der Kunstmusik in der Türkei meine Masterarbeit am Mozarteum geschrieben, wodurch ich sehr viele klassische Werke des 20. Jahrhunderts aus diesem Bereich kennengelernt habe. Wie bei Bartók und Kodály findet man dort sehr viel originale Volksmusik, mit der ich als Kind in meiner Familie aufgewachsen bin und die ich gehört habe, ohne sie je selbst zu spielen. Das hat mein Vater nach Gehör am Klavier getan.
 

Schwerpunkt bei Ihnen ist derzeit wohl Ihre pädagogische Tätigkeit am Konservatorium?

Ja, ich bin seit sieben Jahren dort als Pflichtfachlehrer für Klavier und Fachdidaktik sowie als Korrepetitor tätig. Ich vermittle also im Gruppenunterricht, wie ein Lehrer in der Musikschule unterrichtet. Es war ein Glücksfall, dass diese Position damals gleich nach meinem Studium am Salzburger Mozarteum frei war und für mich zu einer spannenden Herausforderung wurde. Gerade in der derzeitigen Situation bin ich glücklich über diese finanzielle Absicherung, während freischaffende Kollegen sich in einer dramatischen Lage befinden. Aber ich musste aus diesem Grund auch einen Monat lang auf meine gewohnten täglichen Übungseinheiten verzichten.

Erklären Sie uns bitte, welche Aufgaben ein Korrepetitor am Konservatorium hat?

Bei Konzerten, Prüfungen und Wettbewerben unterstütze ich die Studierenden, indem ich den Klavierpart spiele. Dabei muss man sehr gewandt und imstande sein, oft mehrere komplizierte Werke kurzzeitig zu lernen und am Klavier wiederzugeben, das ist oft stressig. Der Korrepetitor ist zwar mehr als bloßer Begleiter, er muss mit dem Solisten in einen Dialog treten und ihn unterstützen. Aber er darf nie als Hauptdarsteller in den Vordergrund treten, sonst läuft etwas falsch. Ich habe viel gelernt dabei, vor allem das schnelle Einstudieren neuer Stücke.

Bleibt da noch genügend Zeit, um sich für Soloauftritte oder Liedbegleitungen vorzubereiten?

Ja, die nehme ich mir, denn da wird man auf ganz andere Weise gefordert. Ich habe etwa die jungen Sängerinnen Corinna Scheurle und Martina Gmeinder bei ihren Recitals begleitet, in Feldkirch unter Bernd Becher bei Beethovens Chorfantasie den Klavierpart gespielt oder dessen erstes Klavierkonzert mit dem Collegium Instrumentale unter Guntram Simma sowie für Kultur.LEBEN in Bludenz einen Soloabend gestaltet. Konzertauftritte führten nach England, Finnland, Italien, Ungarn und in die Türkei. Das wird bei mir in einem „Learning by doing“-Prinzip abgehandelt, das mir bei aller Sorgfalt auch viel Raum für Spontaneität lässt.

Man sagt Ihnen nach, dass Sie am Klavier mit besonders sensibler Tongebung und einem ausgeprägt rhetorischen Spiel beeindrucken. Worauf führen Sie das zurück?

Ich empfinde mich als Suchenden, der viel ausprobiert, um das Klavier auch zum Singen zu bringen. Ich stelle mir dieses Instrument als ein ganzes Orchester vor, das ich mit all seinen Farben zum Klingen bringen möchte. Das habe ich vor allem bei meinen Lehrern Ferenc Bognár am Landeskonservatorium und später bei Imre Rohmann in Salzburg erfahren, wo wir Studenten uns anhand einer Klaviersonate in die Spielweise eines Streichquartetts hineinzudenken hatten. Da gehen plötzlich völlig neue Klangwelten auf. Und das Klavier klingt immer dann am interessantesten, wenn es nicht nach Klavier klingt.

Welche Pläne haben Sie für die Zeit nach Corona, wann immer das sein wird?

Ich möchte im Oktober gerne zusammen mit meiner Klavierpartnerin Alena Sojer und dem Kammerchor Feldkirch unter Benjamin Lack die Liebeslieder-Walzer von Brahms aufführen. Weiters steht im Herbst die Produktion meiner ersten Solo-CD in London an. Ich hoffe, dass bis dahin die Reisebeschränkungen gelockert werden.

Was lieben Sie besonders an Ihrem Beruf?

Ich sehe die Musik eigentlich nicht als Beruf, sondern als Teil meines Lebens. Arbeit und Freizeit fließen bei mir ineinander, das lässt sich nicht trennen. Fritz Jurmann

Yunus Kaya

Pianist, Pädagoge

Geboren 12. Februar 1986 in Hohenems

Ausbildung tonart-Musikschule Mittleres Rheintal, Landeskonservatorium Feldkirch, Universität Mozarteum Salzburg (Masterstudium mit Auszeichnung)

Laufbahn Dozent am Vorarlberger Landeskonservatorium mit Meisterkursen im In- und Ausland, internationale Auftritte als Konzertpianist

Wohnort Feldkirch